Kunst Ein Einheitsdenkmal, das auch viel Zwietracht sät

Die WZ verschickte einen Fragebogen und bekam konträre Antworten zum Geschenk von Thomas Schönauer.

 So soll das 30 Meter hohe Denkmal aussehen.

So soll das 30 Meter hohe Denkmal aussehen.

Foto: Stadt Düsseldorf

Nach der massiven Kritik der Kunstkommission und des Rats der Künstler wollen wir, die Westdeutsche Zeitung, das Thema des Einheitsdenkmals noch einmal aufgreifen und diskutieren. Der Künstler Thomas Schönauer und seine Freunde wollen mit einer 30 Meter hohen Stele an den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit erinnern. Das löste kontroverse Meinungen aus. Die WZ verschickte daraufhin an Parteien und Künstler, an Schenkende und Beschenkte einen Fragenkatalog

Ein Katalog voller Fragen

Welche Gründe gibt es, das Geschenk von Schönauer abzulehnen? Geht es ums Verfahren? Geht es um die Kunst? Geht es um den Vorwahlkampf? Kann die Kunstkommission überhaupt ablehnen, wo sie doch nur eine beratende Funktion hat?

Welche Gründe gibt es, um die Skulptur von Schönauer und seinen Freunden anzunehmen? Geht es um eine neue Botschaft nach dem Motto, der Westen ist glücklich über die Wiedervereinigung? Geht es um eine Skulptur, also um ein Kunstwerk, oder um ein Symbol? Worin liegt ihre „kommunikative Wirkung“? Im Betrachten einer Stadtmarke? Gibt es andere Gründe, um die Skulptur anzunehmen?

Pro und Contra in den Antworten

Manche Befragte haben Punkt für Punkt geantwortet, andere haben zum Rundumschlag ausgeholt. Dabei reagieren die Künstler tief enttäuscht und gekränkt, sie machen sich auch die meiste Mühe, die Schenkung künstlerisch zu deuten. Die Politiker diskutieren ein Pro und Contra, als befänden sie sich in einem Florett-Wettkampf. Die Düsseldorfer Jonges üben sich in der Rolle des Schiedsrichters. Und die Schenkenden freuen sich, dass sie endlich einmal zu Worte kommen.

Die Reaktion der Schenkenden

Die Ideengeber und Schenker, Thomas Schönauer, Ralph Richter, Christoph Pietsch und Daniel Janzen, sehen keinen einzigen Grund, das Werk abzulehnen, aber viele Gründe, um es anzunehmen. Für sie ist es Kunstwerk und Symbol. Künstlerische Gründe nennen sie allerdings nicht, sondern verweisen auf eine im Aufbau begriffene Plattform, in der sie den „Optimismus der Wiedervereinigung“ begründen wollen.

Die Stimme von OB Geisel

Der Rat hat die Schenkung mehrheitlich angenommen. Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) wirft der Kunstkommission vor, sie überschreite ihre Kompetenz, wenn sie sich eine Deutungshoheit anmaßen würde. Ablehnen dürfe sie nur, wenn das Kunstwerk geschichtsverfälschend wäre oder den Grundwerten der Verfassung entgegenstünde. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall.

CDU lobt die Ästhetik

Die CDU stimmt demonstrativ zu. Alexander Fils, CDU-Sprecher im Kulturausschuss, betont die Botschaft, dass der Westen glücklich über die Wiedervereinigung sei. Fils nennt es eine „schöne Interpretationsidee“, „ein besonderes Kunstwerk mit einem besonderen Inhalt.“ Er betont: „Gute Kunst sollte als erste Aufgabe eine Ästhetik bieten, die für den Betrachter einen Aufmerksamkeitsreiz auslöst und dies so lange wie möglich. Wenn neben dem Nachdenken beim Betrachter über die Form hinaus auch erkannt wird, dass das Kunstwerk eine inhaltliche Aussage tätigt, dann hat der Künstler sein Ziel erreicht und etwas Bedeutendes für die Öffentlichkeit geschaffen.“ Fils lobt auch die Innovation im technischen Prozess der Beton-Behandlung.

Grüne kritisiert den West-Bezug

Im Gegensatz zur FDP, die sich an der Diskussion nicht beteiligt, lehnen die Grünen die Schenkung des Werks mitsamt dem Verfahren ab. Clara Deilmann, Kultursprecherin der Grünen, kritisiert das Bild der deutschen Einheit als linearer und abgeschlossener Prozess. Der Verlauf des Denkmals von oben nach unten und der Abschluss am Boden in kompakter, quadratischer Form bilde den Prozess des Zusammenwachsens nicht ab. Sie sieht daher in der Stele eine „rein westliche, nämlich abstrakte Interpretation“. Der Westen stülpe dem Osten seine Deutung der Dinge über.

Der Verriss der Künstler

Die Künstler reagieren negativ. Sie diskutierten das Geschenk in der Kunstkommission, lehnten es aber einstimmig ab, bei zwei Enthaltungen. Für den Verein der Düsseldorfer Künstler protestiert Michael Kortländer als Vorstand gegen das Verfahren. Er sieht die Annahme der Schenkung als „Affront“ gegen die Künstler. Warum setze man die Kunstkommission ein, richte eine Verwaltungsstelle ein, schreibe Wettbewerbe aus, wenn in entscheidenden Fragen der Rat die Kommission ignoriert. Corina Gertz vom Rat der Künstler pocht auf eine professionelle Beratung für Kunst im öffentlichen Raum. Wenn man diese Expertise bei Entscheidungen des Rats nicht berücksichtige, sondern als Geschmackspolizei verunglimpfe, werde sie ad absurdum geführt. Das Vorgehen gegen kompetente Berater zeuge von „arroganter Ignoranz“.

Die Meinung des Vorsitzenden

Via Lewandowsky, der neue Vorsitzende der Kunstkommission, kennt sich in der Ost-West-Diskussion bestens aus, stammt er doch aus Dresden, lebt in Berlin und ist international gefragt. Er nennt die Entscheidung der Politik einen „bis an die Schmerz-grenze reichenden Ausdruck von Ahnungslosigkeit“. Es bestätige „alle Stimmen, die sagen, auch nach 30 Jahren hat der Westen immer noch nichts begriffen.“ Er vergleicht die Entscheidung mit einer „staatlich inszenierten Kampagne, wie sie nicht besser von kommunistischen Autokraten zum ‚Wohle des Volkes‘ und zum Machterhalt gegen jede kritische und zweifelnde Stimme angeordnet worden wäre“. Er empfiehlt, „mal wieder in die Bücher und nicht nur in den Spiegel zu schauen.“

Jonges-Baas hofft auf Einigkeit

Wolfgang Rolshoven, Baas der Düsseldorfer Jonges, ein Freund des Erinnerungsmals, betont, das Denkmal dürfe die Stadtgesellschaft nicht spalten. Indirekt aber wendet er sich gegen die Ablehnung der Kunstkommission, wenn er sagt: Die Ablehnung sei menschlich verständlich, denn die einheimischen Künstler hätten ihre Probleme mit Künstlern von außerhalb.

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