Nägel Dornenkrone mit dem Fäustelhammer

Morgen bekommt Günther Uecker den Staatspreis des Landes NRW. Ein Gespräch mit dem Künstler über den Nagel.

Nägel: Dornenkrone mit dem Fäustelhammer
Foto: Helga Meister

Düsseldorf. Günther Uecker erhält am Donnerstag den mit 25 000 Euro dotierten Staatspreis des Landes NRW. Wir besuchten ihn im Düsseldorfer Medienhafen. Ein Gespräch über den Nagel, die Wahlheimat Düsseldorf und die gegenwärtige Flüchtlingswelle.

In Ihrem Atelier liegen farbige Aquarelle. Malen Sie wieder?

Uecker: Ich habe immer viel gemalt. Nur habe ich diese Studien nicht gezeigt, weil es eher Notationen für ein Reisebuch sind, eine Art Archäologie des Reisens.

Arbeiten Sie auch weiterhin mit dem Hammer?

Uecker: Ja, für den Festakt in der Kunstsammlung habe ich gerade drei Baumstämme gemacht, sie sind noch nicht ganz fertig. Dazu muss ich viel Kraft aufwenden.

Günther Uecker zur Kunst im Alter

Immer noch?

Uecker: Wie, noch? Ich fange ja erst an, mit großer Kraft zu arbeiten. Ich benutze einen Fäustelhammer mit Holzgriff. Das ist doch normal. Das ist mein Leben. Ich bin in der Landwirtschaft aufgewachsen und habe dadurch körperlich gearbeitet.

Wie halten Sie sich fit?

Uecker: In meiner eigenen Erschöpfung bin ich der Schöpfung nahe. Und dann wachsen mir Kräfte zu. Die sind nicht aus dem Sport erwachsen, die kommen mehr aus der Hingabe. Sich einer Vorstellungskraft hinzugeben und bildnerische Gestalt von dem Material zu erhoffen, weil die Arbeit ja randalierend und obsessiv geschieht. Es ist ein ewiges Ringen wie mit Leviatan, den man jeden Tag aufs Neue ringend bezwingt, um die Schöpfung weiterzutragen.

Machen Sie es sich im hohen Alter nicht einfacher?

Uecker: Die Grenzerfahrung scheint meinem Körper kraftvoll zu gelingen. Das rührt daher, dass man sich Zeit gibt, dass man sich einlässt, dass man in das Unerwartete trifft und Erfahrungen daraus schöpft.

Günther Uecker zur Wahlheimat

Woher kommen die Stämme?

Uecker: Die Bäume kommen aus den Ardennen. Das war eine richtig große Linde. Ein Förster hat sie sowieso gefällt. Da hat man für mich diesen Baum ausgesucht. Die Stämme sind wie die geschundene Natur. Ich spreche auch von Pietà. Und die Nägel sind wie eine Dornenkrone.

Nehmen Sie bestimmte Nägel?

Uecker: Alles, was ich bekomme. Mehr und mehr wird ja heute geschraubt und geleimt. Ich kriege die großen Nägel aus Polen oder dem früheren Jugoslawien. Hier bei uns wird so etwas nicht mehr hergestellt.

Hat es Sie gefreut, den Staatspreis zu bekommen?

Uecker: Ich wusste gar nicht, dass es ihn gibt. Die Ministerpräsidentin rief mich in der Schweiz an, als ich wegen einer Schwermetallbelastung in Behandlung war. Ich arbeite ja schon ein halbes Jahrhundert in der Werkstatt mit Chemikalien, Metallen und Quecksilber.

Arbeiten Sie denn mit so vielen Chemikalien?

Uecker: Ja, zum Beispiel mit Verdünnungsmitteln für die Farben, mit Nitroverdünner und Terpentinersatz. Der Metallstaub ist auch gefährlich. Ich habe ja Graphit mit Leim vermischt. Ich habe mit Asche experimentiert, wobei durch das Verbrennen viele Stoffe frei werden und in den Körper und die Hände dringen.

Günther Uecker zu Flüchtlingen

Gerade zum Festakt sind Sie also wieder genesen?

Uecker: Eine Art Lebensfreude ist wieder geweckt worden. Hier an diesem Ort habe ich mich vor über 60 Jahren niedergelassen. Ich habe viel auch in anderen Städten in der Welt gearbeitet, aber ich kann nur sagen: Düsseldorf ist der beste Ort, den ich gewählt habe. Hier sind meine Werke gelungen und ich fühle mich zu Hause.

Sie sind ein Weltreisender, waren als erster Künstler im Iran und in China, haben den nahen wie den Fernen Osten bereist. Wie beurteilen Sie die Flüchtlingswelle?

Uecker: Ich wurde als Junge Zeuge der Geschichte. Ich erlebte, wie riesige Flüchtlingsströme aus West- und Ostpreußen nach Mecklenburg und Pommern strömten. Ein großes Elend war damit verbunden. Auch jetzt ist es ein großes kulturelles Drama für Mitteleuropa. Aber für uns als Touristen besteht zugleich die Sehnsucht in die Ferne. Jetzt kommen diese Menschen zu uns. Was für ein Glück! Wenn wir bereit sind, uns in deren Lebenskultur zu vertiefen, werden auch wir kulturell bereichert.

Inwiefern?

Uecker: Mitteleuropa wurde aus Persien und Griechenland beeinflusst. Das ist die Grundlage unserer westlichen Zivilisation. Ich mache gerade eine Huldigung an Hafis, den bekanntesten persischen Dichter, in einem großen grafischen Buch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwiderstehliche Grusel-Revue
Acht Schauspiel-Talente begeistern im Düsseldorfer Doppelstück „Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns“ Unwiderstehliche Grusel-Revue
Zum Thema
Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth, M.)
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/SaaleLiebe und Hass in der Vorstadt
Aus dem Ressort