Kultur „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ im Düsseldorfer Schauspielhaus

DÜSSELDORF · Sie brüllt, brüllt und brüllt. Vor Liebe, aus Verzweiflung oder Überdruss. Die international erfolgreiche Modeschöpferin Petra von Kant weiß nicht wohin mit ihren verletzten Gefühlen, mit ihrer Leidenschaft, Langeweile und mit ihrem Zorn auf ihren Ex-Mann und auf ihr neues Triebziel – Karin Thimm.

 Anna-Sophie Friedmann und Sonja Beißwenger in „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.

Anna-Sophie Friedmann und Sonja Beißwenger in „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.

Foto: Sandra Then

Raserei bis hin zur Karikatur dominiert in Rainer Werner Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ – zumindest so, wie David Bösch den Film- und Theater-Klassiker in Szene setzte, und der jetzt in Düsseldorf Premiere feierte.

Bis ins Tragikomische gesteigert, extrem überspitzt bringt Bösch die Seelenqual der Mode-Macherin auf die Bretter. Inklusive lokaler Anspielungen auf Düsseldorf, so wie man sie sonst nur im Boulevard-Theater erlebt. Nach 50 Jahren hat Fassbinders Bühnenstück, das 1971 in Frankfurt uraufgeführt und ein Jahr später in Kult-Besetzung verfilmt wurde, fast Herz-Schmerz-Qualität bekommen. Die lesbische Beziehung zwischen der Modekönigin und ihrem Model war einst skandalös, ist längst  normal. So fragt man sich, was Bösch bewogen hat, die immer noch faszinierende Figur der Petra von Kant heute auf die Bühne zu bringen.

Jedenfalls nicht, um mit einer Leidensgeschichte zu berühren. Das mag Bösch ja zu banal erscheinen. In keuchenden 70 Minuten lässt sich eben kaum erklären, wie sich die geschiedene Kreateurin von Kant, Mutter der pubertierenden Gabriele, in eine junge Frau so verlieben kann, dass sie sich dabei selbst zerstört. Zunächst leidet Madame in elegant wallendem Hausmantel im Dauer-Brüll-Ton vor sich hin. Die Tür geht auf, und ihre Freundin Sidonie präsentiert ihr die junge Karin mit hübschem Gesicht, aber nicht gerade heutigen Model-Proportionen. Und schon ist der Verstand der sonst so eiskalten Business-Frau perdü. Sie will ein Top-Model aus ihr machen. Plötzlich schreit sie „Ich liebe Dich!“ – so laut, dass kaum jemand sie ernst nehmen kann. Dabei schnürt sie das Seil der Liebe so eng um den Hals der zunächst naiven Unschuld vom Lande, Karin, die schnell wieder Reißaus nehmen will.

Die Bühne (Patrick Bannwart) ist leergefegt. Bis auf ein Bett und Stapel von alten Vinyl-Platten und Modemagazinen. Aufgesetzt und kaum nachvollziehbar steigert sich die Besessenheit von Petra (Sonja Beißwenger in Höchstform) in eine geifernde Hyänen-Hysterie. Sobald Karin sie verlassen hat und ihren Mann (er ist gerade aus Australien zurückgekommen) trifft, lauert sie am Telefon – und hofft jede Sekunde, dass Karin reumütig zu ihr zurückkehrt. Durch Turbotempo und dauerhafte Übertreibung bleibt nicht nur die Titelfigur den Zuschauern fern, selbst wenn sich die fünf Darstellerinnen – allen voran Sonja Beißwenger – redlich Mühe geben. Karin (Anna-Sophie Friedmann), Petras Tochter Gabriele (Gesa Schermuly), die Mutter Valerie von Kant (Friederike Wagner) wirken wie Statisten. Auch Blanka Winkler hat in Böschs Regie keine Chance, sich als geknechtete Dienerin Marlene im Dienste der bösartigen Psycho-Herrin Petra zu entwickeln: Sie ist und bleibt verdonnert zur faden grauen Maus in ebensolchem Kostüm.

Einzig Hanna Werth kann als selbstbewusst auftrumpfende Sidonie von Grasenabb mit sprühendem Zynismus einen Gegenpart zur Herrin Petra entwickeln. Jedes ernste Ansinnen des Regisseurs wird aber im Finale konterkariert – durch einen Film-Abspann, in dem, wie in einer Doku, erklärt wird, was aus den Figuren geworden ist. Petra hat demnach über ihre Love-Tragödie mit Karin ein Buch geschrieben, das ihr zu viel Ruhm eingebracht hat. Man schmunzelt. So recht glauben will das – wie das ganze Theaterstück – dem Regisseur niemand.

Weitere Termine:

16., 24. Okt., 1., 24. Nov. Telefon: 0211/ 36 99 11

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