Die Ärzte in Düsseldorf: Historische Momente

In Düsseldorf bespaßen die Ärzte bei ihrem Auftritt 10 000 Zuschauer und zwei Tote Hosen.

Düsseldorf. Die Vorgruppe heißt Dampfmaschine. Und das, was danach kommt, ist mindestens die Dampfwalze: Die Ärzte. Bela B., Farin Urlaub und Rodrigo Gonzales nehmen die Instrumente in die Hände und walzen am Dienstagabend alles platt, was auch nur ansatzweise mit schlechter Laune zu tun hat.

Die selbst ernannte beste Band der Welt ist auch vor den knapp 10 000 Zuschauern im Düsseldorfer ISS-Dome in so etwas unschlagbar.

Das fängt schon mit dem Einstiegssong an, der charmant-großkotzig behauptet: „Wir sind die Besten!“ Das geht weiter mit „Ich ess‘ Blumen“ oder der Geschichte der „2000 Mädchen“, die seit mehr als 20 Jahren von verknallten Teenagern und Pubertäts-Machos erzählt. Dazu haben schon die Eltern jener Jugendlichen auf Partys gegrölt, die vor der Bühne im Pogo-Kreisel um sich schlagen.

Mama und Papa sitzen wahrscheinlich mit der geballten Rockerfaust in der Tasche auf der Tribüne, bis bei „Sweet, Sweet Gwendoline“ endgültig die Dämme brechen und auch der letzte Ärzte-Opa rauslassen muss: Seht her! Ich wurde von diesen Songs musikalisch sozialisiert!

Auch wenn Farin zwischen seinen Punkrock-Riffattacken mittlerweile am Tee nippt: Seiner Berufsjugendlichkeit braucht sich hier niemand zu schämen. Auch Die Ärzte nicht für das, was sie nach dem Verbreiten von guter Laune am zweitbesten können: Ansagen machen. Jeder andere würde für das, was sie da zwischen unschlagbaren 38 Songs in drei Konzertstunden tun, mit Bierbechern beworfen.

Doch es gibt ja laut Ärzte-Slogan „nur einen Gott: BelaFarinRod“. Und der darf auch mal acht Minuten am Stück Insiderwitze reißen, die Sitzenbleiber im Unterrang beleidigen oder sinnloses Zeug quatschen. Sie zerstückeln ihre Liedtexte und bauen Altbier, Kö und „Viva Colonia“ ein.

Und dann bitten sie zum „Schrei nach Liebe“ noch Vom Ritchie und Kuddel von den aus Ärzte-Sicht gerüchteweise gehassliebten Toten Hosen auf die Bühne. Ein historischer Moment.

Übertroffen wird der nur von dem Moment, in dem Farin ein Mädchen zu sich hochklettern lässt und ihr anbietet, einmal das zu sagen, was sie immer schon sagen wollte, sich aber nie traute. Sie könnte jetzt zugeben, dass sie für Obama ist. Dass sie auf Frauen steht. Dass sie in Campino verknallt ist.

Aber sie bekommt nur ein piepsiges „Ich liebe Euch“ raus. Und hat damit ja so recht: Wer könnte sie nicht lieben, die beste Band der Welt?

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