Ausstellung Diango Hernández: Schloss Morsbroich weckt Erinnerung an Kuba

Diango Hernández lädt das Schloss Morsbroich mit seiner Erinnerung an seine alte Heimat Kuba auf.

Ausstellung: Diango Hernández: Schloss Morsbroich weckt Erinnerung an Kuba
Foto: Meister

Leverkusen. Es gibt Künstler, die entfernen jede biografische Note aus ihrem Werk. Dementsprechend puristisch und austauschbar sehen dann auch die Ausstellungen aus. Diango Hernández gehört nicht dazu. Der Kubaner, der seit 2003 in Europa lebt, sieht in allem, was er malt und inszeniert, einen Bezug zu sich und der wechselvollen Geschichte seines Landes. Ihm geht es um Hoffnungen und Ängste, Erfahrungen und Erinnerungen. Das gesamte Museum Schloss Morsbroich scheint aufgeladen zu sein von den vielschichtigen Gefühlen dieses Insulaners aus der Karibik. Auf Schritt und Tritt spürt der Besucher Heimat und Verlust, Enttäuschung, Sehnsucht und Liebe.

Eigentlich sind es ja nur Drähte, die sich wie Energielinien durch den Hauptraum im Erdgeschoss ziehen. Sie beziehen sich jedoch nicht auf eine Kunstrichtung, sondern auf den Hurrikan, den „Gott des Windes“, wie die Ureinwohner den tropischen Wirbelsturm nennen. Er bildet sich in Afrika und jagt an Kuba vorbei nach Nordamerika. Hernández kann sich noch heute echauffieren, indem er erzählt: „Der Wind fängt ganz flach an und entwickelt sich zu einem Tropensturm, der ganze Städte zerstört und vier Mal im Jahr sein Unheil über die Karibik ergießt.“ Für ihn steht das Drahtgebilde für seine Lebenswirklichkeit. Das Museum ist der Ort, wo sich der Besucher mit den Erfahrungen des Künstlers auseinandersetzen kann.

Andererseits ist Hernández fasziniert von diesem Schloss. Er kannte es schon, bevor Wirtschaftsberater seine Schließung empfahlen. Er sagt: „Dieses Schloss kommt mir vor wie eine fantastische Insel im gesamten Rheinland. Dieser Ort bringt etwas zusammen, was man schwerlich anderen Ortes findet. Es wurde als Lustschloss gebaut. Ich liebe es und drücke meine Liebe aus.“

Er singt einen Hymnus auf dieses Schloss und taucht es in blaue und rote Wellen, als liege es am Meer. Wochenlang hat er sich durch die Räume gemalt und mit dem Pinsel in der Hand die Wände aufgeladen. Ohne Horizont, denn im Wasser liegt der Horizont unten auf dem Meeresboden.

Das Schloss weckt seine Erinnerungen. Als Internatsschüler in Kuba war es im kommunistischen System üblich, dass die jungen Leute etwas von ihrer Bildung zurückzahlen mussten, und zwar in Arbeitsstunden. Drei Jahre verbrachte der Schüler den Winter in den Orangenfeldern. „Orangen sind Teil meiner Biografie“, sagt er. In Kuba sind sie grün, und sie schmecken bitter. Sie dienten einst als Tauschware mit der DDR, Orangen gegen Maschinen.

Der Künstler steckt sie auf Laternen aus Kupferrohren. Normalerweise befinden sich diese Rohre in den Wänden. Und diese Lampen werden üblicherweise nicht mit Zitrusfrüchten, sondern mit Glühbirnen erhellt. Da das arme Kuba jedoch häufiger von Stromausfällen heimgesucht wurde, bilden die Laternen des Hernández einen Sonderfall. Sie balancieren mitsamt den Früchten wie eine Zirkusnummer. Orangen anstelle von Energie ist aber möglicherweise auch eine Idee für die Zukunft.

Der Wahldüsseldorfer baut aus Sand und aufgeschnittenen Rohren den Grundriss seines Hauses in Havanna, wo seine Mutter noch heute lebt. Der Grundriss ist kleiner als normal, denn die Größe verliere sich mit der Entfernung, sagt er. Kuba liegt inzwischen weit entfernt für ihn.

Dennoch ist Hernández kein Nostalgiker, sondern ein international gefragter Künstler. Aber er liebt den Spagat. So bemalt er die Fotos antiker Statuen aus dem Louvre mit seinem Wellenmotiv, als werde das Meer die Ablagerungen der Geschichte wegspülen. Die Fotos tauchen wie Fundstücke auf und verschwinden gleichzeitig. Denn letztlich ist die Kunst des Hernández doppeldeutig: Wie monotone Wellenbögen hörten sich auch die Reden des Fidel Castro an seine Landsleute an. Und die Orangen sind bei aller Lieblichkeit ungeeignet für ein Museum, denn sie werden verfaulen.

Mit ein paar Drähten, farbigen Linien, Sandkästen und übermalten Fotos gelingt es dem Künstler, eine positive Stimmung zu erzeugen. Er erklärt: „Das ist das Ziel meiner Arbeit, das Transformieren der Dinge und der Erinnerungen. Nur so kann man die Besucher mit der Kunst in Verbindung bringen.“

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