Aufführung in Duisburg : Der fliegende Holländer: Ungewohnte Sichtweise auf das frühromantische Drama
Duisburg Mehr als ein maritimes Schauermärchen: Wagners 1843 uraufgeführte Oper feierte in Duisburg eine umjubelte Premiere.
. Popcorn und Cola hält Senta in den Händen, als der Einlasser ihr Ticket kontrolliert. Mit Vater Daland und ihrer Familie geht das Mädchen ins Kino. Langsam füllt sich der Saal. Dann beginnt ein alter Streifen, in Schwarz-Weiß, über Sentas heißgeliebten Sagen-Helden, den „Fliegenden Holländer“. Mit grimmigem Blick und in schwerem Pelzmantel schaut er durchs Fernglas. Auf wogenden Wellen nimmt sein wankender Dreimaster direkten Kurs ins ewige Eis. „Steuermann halt die Wacht!“ ermahnt die Mannschaft eindringlich. Doch der ewige Seefahrer, der vom Schicksal verfluchte ‚Holländer‘, muss an Land. Er sucht die einzig treue Frau, um vielleicht doch noch von seinem Bannfluch erlöst zu werden.
Und Senta hofft seit ihrer Jugend, in dem Holländer ihre ganz große Liebe zu finden. Um aus ihrem tristen Alltag mit Vater und Tanten zu entkommen, flieht sie immer wieder in den Kindertraum im Kino. So startet die gleichnamige Wagner-Oper. Zumindest in der Interpretation von Vasily Barkhatov. Der renommierte 38-jährige St. Petersburger Film-, Opern- und Fernseh-Regisseur verlegt in seiner ersten Arbeit für die Deutsche Oper am Rhein Richard Wagners Frühwerk in die heutige Zeit, in der sich eine exzentrische Frau Senta ihren Jugendtraum erfüllen will. Mit allen Mitteln und in letzter Konsequenz. Eine ungewohnte, neue Sichtweise auf das frühromantische Drama, die bei der Premiere im Duisburger Opernhaus mit Jubel und Ovationen gefeiert wurde.
Letzteres sicherlich auch wegen des exzellent intonierten Opernchors und der Solisten – darunter internationale Größen wie James Rutherford in der Titelpartie, Hans Peter König als Sentas Vater Daland und Gabriela Scherer als dessen Tochter. Rutherfords gelenkiger Bassbariton meistert die sensibel nachdenklichen Passagen im Liebesduett mit Senta, wie auch die leidenschaftlich auftrumpfende Enttäuschungs-Arie im Finale. Gabriela Scherer indes hat als Senta nicht den hochdramatischen Wagner-Sopran, sondern setzt auf lyrischen Schmelz, wabert aber in den hohen Lagen und klingt nicht kraftvoll genug. Die jahrzehntelange Bayreuth-Erfahrung macht König zu einem Daland par excellence. Alles strömt und wird glaubhaft – väterliche Güte, Umsicht und Ehrgeiz. Zumal mit einer mustergültigen Diktion vorgetragen. Gefeiert wurden ebenfalls Norbert Ernst (als Sentas Verlobter Erik) und David Fischer (als Steuermann), die strahlende Tenor-Power auf die Bühne bringen.