Der Bildhauer Erwin Wurm führt die Besucher nach Absurdistan

In einer umfassenden Retrospektive feiern die beiden großen Duisburger Kunstmuseen den österreichischen Künstler.

Der Bildhauer Erwin Wurm führt die Besucher nach Absurdistan
Foto: dpa

Duisburg. Erwin Wurm (Jg. 1954) hat in diesem Jahr große Auftritte. In Venedig bespielt er den österreichischen Pavillon und stellt einen Laster kopfüber vor die Räume, damit der Besucher aufsteigt und wie Hans Guck-in-die-Luft das Mittelmeer sucht. In Duisburg lockt der Großmeister der ironischen Abgründe und des skurrilen Humors gleich in zwei Häuser, ins Lehmbruck-Museum (Vernissage heute 18.30 Uhr) und ins Museum Küppersmühle (heute 20 Uhr). An beiden Orten führt er mit seinem Schabernack die Gäste nach Absurdistan.

Dieser Wurm, der wirklich so heißt, hat seinen roten, aufgedunsenen und verfetteten Porsche Carrera aus Wolfsburg mitgebracht. Das Prunkstück, einst von Azubis und Ruheständlern von VW umgebaut, steht im gläsernen Vorbau des Lehmbruck-Museums, sodass sich jedermann schon an der Scheibe die Nase plattdrücken kann.

Der Künstler nimmt die Stars der Straße, die Werbung, das Design, die Mode und insgesamt die Konsumkultur auf die Schippe und funktioniert sie um. In seinen Möbeln stehen Gläser und Hochprozentiges. Wer will, kann sich regelrecht besaufen.

Der Mann mit dem scharf geschnittenen Gesicht und der leisen Stimme kommt mit seinen Dingen sogar ins Guinness- Buch der Rekorde. Denn vor ihm hat niemand einen Pullover von 400 Quadratmetern geschaffen, auf dass er sich in lieblichem Maigrün durch alle fünf Säle in der Küppersmühle zieht. Das gute Stück, mit aufgenähten Ärmeln samt weißem Bündchen wurde in Bangkok nach den Maßen der Duisburger Räume gestrickt. Für den Halsausschnitt ist eine Öffnung freigelassen. Hier schützt nichts mehr vor Kälte, hier kommt die Bekleidungsindustrie an ihr Ende.

Dieser Österreicher schreckt auch vor dem Blödeln nicht zurück. „Ärgerbeule“ nennt er den kopflosen Kerl, dem statt eines Penis ein Tennisball in der Hose steckt, den er nun vor sich hinschiebt. In Fotos zieht er sich Unterhemden übers Gesicht, um zu überlegen, wie man ein Terrorist sein kann. Und in einer Fotoserie tanzen junge Männer nach seiner Pfeife, mit einem Stuhlbein auf ihrem Auge oder dem Kopf in einer Kiste, sodass nur die Beine hervorschauen.

Da Wurm gerade in Venedig sein Land vertritt, gibt er ihm wenigstens in Duisburg einen säuerlichen Beigeschmack. An der Stirnwand im „Lehmbruck“ hängen 36 Tafelbilder mit Kaffee und Kaffeesatz, wie Persiflagen zur Wiener Kaffeehaus-Kultur. Doch der Kaffeesatz ist bekanntlich braun. Vollends der Titel „Vaterland“ gibt den Blättern einen politisch-subversiven Beigeschmack.

Vor dieser Stirnwand steht ein Werkkomplex, der sich „Land der Berge“ nennt, frei nach der österreichischen Nationalhymne. Der Mann aus der Steiermark zerquetscht Tonklumpen zu Bergformationen, versieht sie mit Müllobjekten und gießt den Spott auf sein Vaterland in Bronze ab.

Kerle sind in dieser Schau beliebt. Einer von ihnen erinnert an einen Kinderkreisel, nur größer. Er hat die ganze Welt verschluckt. Wie ein Popanz scheint er in seiner kugelrunden Körperfülle zu versinken. Derweil stehen Schauspieler auf Sockeln und sagen Sätze, aus denen sich der Hörer eigene Bilder erzeugen soll.

Info: Lehmbruck-Museum, Düsseldorfer Straße 51, bis 29.10.; Museum Küppersmühle, Philosophenweg 55, bis 3.9.

lehmbruckmuseum.de

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