Zug um Zug auf Vatersuche

Jenny Jürgens begeistert in „Endstation Irgendwo“.

Düsseldorf. "Ganz schön viel Aufwand für eine lapidare Verwechslung." Jens (Klaus Zmorek) meint den Trubel auf Gleis 12, an dem der Mann von Linda (Jenny Jürgens) lange Zeit nur "Bahnhof versteht". Seine große Liebe hofft derweil, dass der Zug noch nicht abgefahren ist: Linda sucht nach 35 Jahren ihren Erzeuger, verabredet sich mit dem ihr völlig fremden Mann auf einem fernen Bahnsteig, landet aber erst einmal in den Armen eines falschen Vaters und erlebt richtig viele Missverständnisse.

Auch die Zuschauer in Düsseldorf könnten deshalb seufzen: welcher Aufwand für eine einfache Verwechslung. Zu konstruiert ist die Geschichte, die Hausherr René Heinersdorff geschrieben hat und nun im Theater an der Kö inszeniert. Weshalb etwa unterhält sich das Paar erst am Zielort über die Motive seiner Reise? Im Zug hätten Linda und Jens doch fünf Stunden lang Zeit gehabt. Na klar: Das Publikum soll mithören und hinter die Familienfassade blicken.

So nimmt die Geschichte langsam Fahrt auf: "Endstation Irgendwo" ist keine Komödie, bei der Heinersdorff mit dem Holzhammer Pointen setzt, sondern eine "Bahnhofsmission", die mit feinen Zwischentönen verschiedene Psychogramme entwickelt und Figuren auf einem kalten Bahnsteig heißblütig aufeinanderprallen lässt - Menschen, die sich fremd, aber letzten Endes alle miteinander verbunden sind.

Das Spiel mit der Erwartungshaltung hat einige Längen, aber auch geistreiche Dialoge mit witzigen Anspielungen auf die Theaterwelt und vor allem ein dynamisches Ensemble, bei dem das Zusehen trotz allem Spaß macht.

Im Mittelpunkt steht Jenny Jürgens, die zu den Stamm-Schauspielern an der Kö zählt. Auch diesmal trifft sie den richtigen Ton: Mal laut aufgebracht, mal hilflos trotzig, mal leise flehend mimt sie eine 42-Jährige, die dem Leben skeptisch gegenübersteht, seitdem der Vater sie vor 35Jahren verlassen hat. Auch Klaus Zmorek verleiht seiner Figur Facetten: Jens ist genauso zynisch und ungeduldig wie liebevoll und besorgt - also ein idealer Ping-Pong-Ball, der zwischen Linda und ihren vermeintlichen Vätern zu vermitteln versucht.

Während Christian Mey als Kioskbesitzer der Beobachter im Hintergrund ist, ziehen Reinhard von Hacht und Renate Hundertmark alle Blicke auf sich. Als ungleiches Paar spielen sie herausragend: Von Hacht mimt den eigentlich einsamen, langsam auftauenden Geizkragen, Hundertmark seine treue Haushälterin, die nach 35 Jahren resolut ihre eigene Nachfolgerin sucht.

Das Ende ist vorhersehbar, sollte aber dennoch nicht verraten werden. Sonst bliebe der letzte Rest von Spannung auf der Strecke. So viel darf aber gesagt werden: Pit Fischers Bühnenbild schafft eine passende Atmosphäre - mit Spielzeug-Eisenbahn und rieselndem Schnee. Das Premierenpublikum war jedenfalls sichtlich begeistert - vom Stück genauso wie von den Schauspielern. Zwei Stunden, eine Pause, Theater an der Kö, bis 14. März, Karten: Telefon 0211/322333.

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