Wuppertal: Die Großstadt soll ihr Theater verlieren

Die Stadt muss jährlich 80 Millionen Euro sparen. Oberbürgermeister Jung (CDU) hat ein drastisches Paket geschnürt, das dem Schauspielhaus den Garaus machen würde.

Wuppertal/Düsseldorf. Hinter vorgehaltener Hand munkelt es jeder: Zu Lebzeiten von Pina Bausch, der weltberühmten Choreografin, hätte die Stadt Wuppertal es nie gewagt, das unter Denkmalschutz stehende Schauspielhaus, in dem so viele Premieren des Tanztheaters stattfanden, auch nur anzutasten. Doch jetzt droht eben diesem Schauspielhaus die größtmögliche aller Katastrophen.

"Wenn das Schauspielhaus nicht saniert wird und deshalb der Betrieb eingestellt werden muss, wird das nur das erste sein. NRW verkommt dann zu einer einzigen riesigen Kultur- und Bildungswüste." So apokalyptisch sieht die Zukunft in den Augen des seit Sommer amtierenden Wuppertaler Schauspiel-Intendanten Christian von Treskow aus. Und seine Sicht der Dinge ist nicht von der Hand zu weisen: Längst befinden sich auch Mönchengladbach, Oberhausen oder Hagen in vergleichbaren Finanznöten - und auch hier wächst der politische Druck, die Kulturetats zusammenzustreichen

Dabei müssen die Kommunen, die Bezirks- und Landesregierungen nur das ausbaden, was wie früher in Bonn heute in Berlin politischer Wille ist: Milliarden in den Solidarpakt Ost zu investieren. Hierfür nimmt allein Wuppertal jährlich 25 Millionen Euro neue Schulden auf.

"Wir behandeln die Spielzeiten jedoch nicht anders als geplant, wir proben und werden aufführen", sagt von Treskow. Bei seinen Vertragsverhandlungen war von Abwicklung absolut nicht die Rede. "Im Gegenteil. Ich erhielt die Zusage für eine neue Spielstätte mit 126 Plätzen." Jetzt beläuft sich die Etatkürzung auf 20 Prozent. Zudem würden weitere Tarifsteigerungen "die Kunst fressen". Der Landeszuschuss beträgt nur 450 000 Euro, für das Tanztheater dagegen 900 000 Euro. Da frage man sich, warum eine Sparte so unverkennbar bevorzugt wird, die bis 2012 keine einzige Neueinstudierung hervorbringen wird. Oberbürgermeister Peter Jung will, wie bekannt, als Opernfan das Wuppertaler Musiktheater verschonen. Das Orchester soll allerdings mit dem von Remscheid und Solingen zusammengeführt werden.

Derzeit muss das Schauspielhaus mit seinem Spielplan ohnehin in die Oper oder in ihr kleines Haus in Elberfeld ausweichen. Bis 2012 kann laut von Treskow auch mit gedeckeltem Etat noch gespielt werden; die Ausfälle ließen sich aus den Rücklagen auffangen. Die sind danach aber aufgebraucht. Dann müssten die Bühnen als kommunale GmbH wohl Insolvenz anmelden - wenn der Stadtrat den Sparplänen des Oberbürgermeisters folgt.

Unterdessen stand die Finanzlage der Kommunen auf dem Programm der Vollversammlung des NRW-Kultursekretariats in Mönchengladbach, an der 20 theatertragende Städte aus NRW teilnahmen. Ihre Diagnose: So lange Leistungen in freiwillige und "gesetzte" Zuwendungen getrennt werden, geht dies in Krisenzeiten stets zu Lasten der Kulturangebote. Solange Kultur nicht vom Zuwachs finanzieller Mittel profitiere, bewirken Kürzungen "einen umso verheerenderen Substanzverlust". Ein Bestandspakt müsse her: "Es eilt!"

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