Totentanz aus Flitterkram

Ausstellung: „Sesam, öffne dich!“ heißt eine große Schau im Kölner Museum Ludwig. Die Künstlerin Isa Genzken präsentiert ihr Werk.

Köln. Isa Genzken (61) ist die Primadonna des Glitzers. Ihre transparenten Strukturen, farbigen Streifen und Riffelungen sind seit der letzten Retrospektive vor sieben Jahren im Museum Abteiberg noch trashiger geworden. Im Kölner Museum Ludwig zieht sie jetzt alle Register, beweist aber auch einen ungeahnten Tiefsinn. Gleich das "Straßenfest" am Eingang ist ein Totentanz. Nicht moralisierend, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern als doppeldeutiger Taumel wird es dargestellt.

Kasper König, Hausherr des Museum Ludwig, spricht von einer "höfischen Eleganz" in ihren Werken. Sie seien "mondän, auf der Kippe zum Kitsch". Genzken empfängt mit Schaufensterpuppen, denen Narrenkappe, Kunstblumen, Kartoffelnetz und Tüll über die Häupter gestülpt sind. Der dunkle Humor der Künstlerin zeigt sich in einem abgebrochenen Glas-Kelch, der auf der Nase einer Figur sitzt, als müsse sie künstlich beatmet werden. Die Umgebung dieser grotesken Szene ist das Ergebnis von Hamsterkäufen in Deko-Läden: Farbige Kunststoffrahmen mit Spiegelglas, Federboas, Colts, Patronenhülsen und Klebefolien sorgen dafür, dass sich die Jugendkultur mit der Hochkultur mischen.

Isa Genzken hat ihre Arbeiten selbst platziert, nicht als chronologischen Überblick, sondern als raffiniert komponiertes Ganzes. So kommen Tiefsinn, Kritik, bloße Zeiterscheinungen und böses, hämisches Lachen zur Einheit. Im ersten Raum fühlt sich der Besucher in holden Hallen, schreitet durch leere, wenn auch formschön glänzende Fensterrahmen, am Nippes durchgepauster Leinwandbilder vorbei. Es grüßt Donald Duck breitbeinig auf dem Chef-Sekretär und wedelt mit den Dollarnoten. Daneben macht ein dachförmig gebogenes Gitter mit Tieren, Scherben und Kleinkram darauf aufmerksam, dass die Kunst der Isa Genzken immer zugleich ein Scheiterhaufen ist.

Manches erinnert wie schon in der Mönchengladbacher Schau an die frühen Spiegelfolienarbeiten der Zero-Künstler. Doch seit den 60ern ist die Produktion der Dekorations-Industrie enorm angestiegen und filmreif geworden. Genzken hat ein Händchen dafür, die jeweils neuesten Produkte an Prismen, Disko-Kugeln, Op-Art-Flimmer zu entdecken.

Erst mit den Titeln wird deutlich, was sie mit derlei Produkten will: "Soziale Fassade" ist nichts als eine Metallfolie, vor der alle Betrachter verschwimmen und damit egalisiert werden. Plexi- und Riffelgläser, gegeneinander gelehnt, wirken leicht, luftig und zugleich sinnlos. Der Titel "Neue Gebäude für Berlin" offenbart ihr Verlangen, der steinernen, durch zahllose Baunormen gezügelten Architektur der Bundeshauptstadt ein bisschen Vitalität zurückzugeben. Zwischengeschoben sind Röntgenbilder ihres Schädels und ihrer Wirbelsäulenknochen: Lachend wirkt der aufgerissene Totenkopf inmitten all des schönen Scheins.

Die 60 Installationen, Beton-, Gips- und Holzskulpturen, die ausgeschnittenen, aber unbeschrifteten Fotos, die Konsum- und Alltagsgegenstände winden sich wie ein Panoptikum durch drei Etagen. Im obersten Stockwerk findet man die Installation "Kinder filmen" von 2005. Beim Betreten des Raums gehen die Bewegungsmelder an, dreht Donald Duck seine Kappe, versuchen umgekippte Sonnenschirme vergebens, die kleinen, hilflosen Kinderpuppen zu beschützen. Ein paar Treppen abwärts, und der Besucher kehrt zum Totentanz im Eingang zurück. So geschickt wie diesmal sind Spiel und Bedrohung, Unschuld und Aggression noch nie bei Isa Genzken zusammengekommen.

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