Theater um die „Tagesschau“

Schauspiel: Rimini Protokoll hinterfragen in „Breaking News“ das Geschäft mit den Nachrichten.

<b>Düsseldorf. Freitag, 20 Uhr, Nachrichtenzeit: Die Israelis bombardieren Palästinensergebiete, der ehemalige Schachweltmeister Bobby Fischer ist tot, Putin besucht Bulgarien, Geiseln sind immer noch in der Hand der kolumbianischen Farq und in Indien ist die Vogelgrippe ausgebrochen. Aus 24 Monitoren sprudeln die Nachrichten des Tages in verschiedenen Sprachen. Russische, arabische, pakistanische, amerikanische und isländische Sender sowie die "Tagesschau" buhlen um die Aufmerksamkeit des Zuschauers - im Theater. "Breaking News - ein Tagesschauspiel" nennen Rimini Protokoll ihre neue theatralische Wirklichkeitserkundung. Sie feierte ihre Uraufführung am Berliner Theater Hebbel am Ufer und gastierte nun erstmals bei seinem Koproduktionspartner, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, wo bereits vergangene Spielzeit "Karl Marx: Das Kapital" uraufgeführt wurde. Diesmal geht es um das Geschäft mit den Nachrichten in einer globalisierten Welt. Dafür haben sich Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll neun so genannte "Experten des Alltags" gesucht, Journalisten, Dolmetscher, eine Cutterin, einen kurdischen Priester, die die Nachrichten live aus den Fernsehern filtern, übersetzen und kommentieren.

90 Prozent der "Tagesschau"-Themen stehen eine Woche vorher fest

Wie schon bei "Das Kapital" hat das Regie-Duo bei der Auswahl ein glückliches Händchen bewiesen. Ihre Protagonisten - alles starke Persönlichkeiten - faszinieren vor allem, wenn sie ganz authentisch von sich, ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen mit den Medien erzählen. In diesen Momenten offenbart sich die Stärke dieses einzigartigen Zugriffs auf Theater.

Die in Berlin lebende indische Ex-Journalistin Sushila Sharma-Haque beginnt den Tag mit pakistanischen und indischen Nachrichten und wundert sich nicht mehr darüber, dass sie sich nur beim Thema Kricket einig sind. Der isländische Reporter Simon Birgisson erläutert die wichtigsten Nachrichten in Island: Wetter und Fisch. Und am Ende der Sendung muss immer eine gute Nachricht kommen.

Dazwischen liest Hans Hübner immer wieder Passagen aus Aischylos "Die Perser", das ebenfalls Nachrichten (in Form von Botenberichten) über Krieg verarbeitet. Er hat als ehemaliger Afrika-Korrespondent erfahren, wie subjektiv das Nachrichtengeschäft funktioniert: Afrikathemen hatten meist keine Chance.

Künstlerkollektiv: Rimini Protokoll besteht aus Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel. Sie haben eine neue Form des dokumentarischen Theaters erfunden. Der Abend "Karl Marx: Das Kapital" wurde vergangene Spielzeit in Düsseldorf uraufgeführt und mehrfach ausgezeichnet (u.a. Mülheimer Theaterpreis).

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