Theater Meiningen in neuem Glanz

Meiningen (dpa) - Einst war Meiningen ein Nabel der europäischen Theaterwelt. Von der kleinen Südthüringer Residenzstadt gingen seit 1874 für einige Jahrzehnte die entscheidenden Schauspiel-Impulse aus.

Es gilt als Wiege der naturalistischen Theaterkunst und des modernen Regietheaters.

Zu verdanken ist das vor allem der Theaterleidenschaft von Herzog Georg II. (1826-1914). Unter seiner weltlichen und künstlerischen Regentschaft setzte das Haus vor allem bei der Interpretation klassischer Stücke Maßstäbe. Mehr als 100 Jahre nach seiner Eröffnung präsentiert sich der letzte klassizistische Theaterbau Europas jetzt technisch wieder auf der Höhe der Zeit. Am Freitag wird er mit Shakespeares „Maß für Maß“ feierlich wiedereröffnet.

Am Samstag folgt Richard Wagners frühe Oper „Das Liebesverbot“. Der junge Wagner schrieb auch das Libretto. Die Besucher der beiden Eröffnungspremieren erwarteten damit zwei Varianten einer Geschichte, sagt Intendant Ansgar Haag, der das Traditionshaus seit 2005 leitet. Für ihn kamen für die Wiedereröffnung nur Werke der beiden literarischen und musikalischen Ausnahmekünstler infrage. „Shakespeare war der Lieblingsschriftsteller des Theaterherzogs Georg II., Richard Wagner ein Freund des Herzogs“.

Herzstück des für 23,35 Millionen Euro sanierten Gebäudes ist eine neue Hinterbühne mit zwei Drehbühnen und einer Hubbühne. Um Platz für die Hinterbühne zu gewinnen, war die klassizistische Giebelwand in einer spektakulären Aktion um fünf Meter nach außen versetzt worden. Der Orchestergraben wurde erweitert, so dass dort jetzt genügend Musiker für Wagner-Opern Platz finden. Deren Aufführungen sind Tradition des Hauses, waren aber bedingt durch die räumliche Enge immer ein Kraftakt für Regieteams, Musiker und technische Mitarbeiter. Meist mussten die ersten Zuschauerreihen geopfert werden, um ein großes Orchester unterzubringen.

Es gibt neue Beleuchtungs- und Videotechnik sowie - sehnlichst erwünscht - bessere Arbeitsbedingungen für Künstler und Techniker. Der Saal präsentiert sich den Besuchern wieder annähernd so wie zu Zeiten des Theaterherzogs. Nach historischen Befunden wurden die Wände beige bemalt, die Wandbespannung ist in Türkis wie auch die Stuhlposter. Haag empfindet das als schon fast ein bisschen zu barock - wegen des vielen Blattgolds.

Für die Mitarbeiter des Hauses geht nach über einem Jahr eine anstrengende Zeit der Improvisation und der Aufführungen in Ausweichspielstätten zu Ende. Schauspieldirektor Dirk-Olaf Handke sieht durch die neue Bühnentechnik keine Grenzen mehr für Inszenierungen gesetzt, „außer den finanziellen.“ Auch der Theaterherzog habe immer versucht, die technischen Möglichkeiten seiner Zeit nutzbar zu machen.

Unbedingte Werktreue und die für jene Zeit unübliche Realitätsnähe in Kostüm und Bühnenbild beeinflussten die internationale Schauspielkunst und das dramatische Schaffen um 1900. Georg II. übernahm 1866 die Regierungsgeschäfte und die künstlerische Theaterleitung. Er konzentrierte alle Kräfte auf das Schauspiel und die ernsthafte Regiearbeit. Dramen der Klassiker wie Shakespeare, Schiller, Ibsen und Kleist wurden werkgetreu in einem dem historischen Original möglichst nahe kommenden Ambiente inszeniert. Im Meininger Museum können heute noch originale Kulissen bewundert werden.

Von 1874 bis 1890 reiste das Hoftheater mit Bühnenbildern, Requisiten und Kostümen per Bahn durch ganz Europa. Fast immer spielte es vor ausverkauftem Haus und zeigte bis zu zehn verschiedene Stücke pro Reise. 81 mehrwöchige Reisen mit rund 2600 Aufführungen stehen zu Buche. Den Begriff „Die Meininger“ prägte Theodor Fontane unter dem Eindruck des Gesehenen. Am 5. März 1908 brannte das Theatergebäude bis auf die Grundmauern nieder, erzählt die Chronik. Bereits Ende 1909 wurde der heutige Theaterbau an gleicher Stelle eröffnet. Georg II. ließ auf dem Giebel sein Credo „Dem Volk zur Freude und Erhebung“ verewigen.

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