Tanztheater Pina Bausch trennt sich von Adolphe Binder

Der Streit in der Führungsebene des Tanztheaters endet mit einem großen Knall. Der Intendantin wird fristlos gekündigt. Der Geschäftsführer geht am Jahresende. Wie geht es nun weiter?

 Vor einem Jahr fing Intendantin Adolphe Binder in Wuppertal an. Ihr Vertrag läuft eigentlich noch bis zum 31. Juli 2022.

Vor einem Jahr fing Intendantin Adolphe Binder in Wuppertal an. Ihr Vertrag läuft eigentlich noch bis zum 31. Juli 2022.

Foto: dpa

Wuppertal. Der Beirat der Tanztheater Wuppertal Pina Bausch GmbH hat am Freutag Nachmittag entschieden, sich von Adolphe Binder (49) zu trennen, und die Geschäftsführung ermächtigt, ihr die außerordentliche Kündigung (ihr Vertrag gilt bis 31. Juli 2022) auszusprechen. Die Entscheidung fiel nach gut zweistündiger Diskussion mit einer Gegenstimme. Tänzer des Ensembles, die am Freitag von ihrer Tournee in Paris zurückkehrten, und weitere Mitarbeiter des Tanztheaters wurden über den Entschluss bei einer Versammlung in der Lichtburg informiert. Der gesundheitlich angeschlagene Tanztheater-Geschäftsführer Dirk Hesse (60) erklärte am Freitag, seinen Vertrag, der zum Ende des Jahres ausläuft, nicht zu verlängern.

Tanztheater Pina Bausch trennt sich von Adolphe Binder
Foto: Stefan Fries

„Diese Entscheidung ist leider notwendig geworden, um die Handlungsfähigkeit dieser einzigartigen kulturellen Einrichtung wiederherzustellen“, begründete der Beirat seine Entscheidung, würdigte „die künstlerischen Impulse“ Binders und lenkte ansonsten den Blick nach vorn: Die Geschäftsführung soll spätestens zum September einen Spielplan vorlegen, der geeignete Stücke Pina Bauschs sowie die beiden neuen Stücke, „Seit sie“ von Dimitris Papaioannou und „Neues Stück II“ von Alan Lucien Øyen, enthalten und dem zehnten Todesjahr Bauschs (2019) sowie dem zehnjährigen Bestehen des Pina-Bausch-Archivs Rechnung tragen soll.

Außerdem soll ein „Prozess der kritischen Reflexion und Weiterentwicklung des Tanztheaters“ eingeleitet werden, den ein Expertengremium begleiten soll, an dem der künstlerische Leiter und Geschäftsführer des Sadlers Wells Theatre (London), Alistair Spalding, mitwirken will. Zudem soll die Führungs- und Leitungsstruktur neu gestaltet und ein Anforderungsprofil für die zukünftige künstlerische Leitung erstellt werden. Bis zum Ende dieses Jahres erwartet der Beirat Ergebnisse.

Unruhige Zeiten für das Tanztheater Pina Bausch, das im alten Wuppertaler Schauspielhaus ein neues Zuhause erhalten soll. Foto: Stefan Fries

An der Versammlung in der Lichtburg nahmen etwa 30 Mitarbeiter teil. „Die Stimmung war sehr bedrückt, sie fühlen sich zu spät informiert“, erklärte die Beiratsvorsitzende Ursula Schulz, die zusammen mit Personaldezernent Johannes Slawig (als Vertreter des Gesellschafters) und Kulturdezernent Matthias Nocke dabei war. Die Tänzer hatten auf die Veröffentlichung der Streitigkeiten zwischen Geschäftsführung und künstlerischer Leitung verärgert reagiert, fühlten sich übergangen, distanzierten sich von den Anschuldigen gegen Binder. Nocke stellte in Aussicht, dass ein Coach Compagnie und Team nach der Sommerpause beraten soll.

Die Probleme zwischen der Geschäftsführung und der künstlerischen Leitung begleiteten die ganze erste Spielzeit Binders. Gleichwohl wurde der Beirat erst im Juni informiert. Für Beiratsmitglied Peter Vorsteher (Grüne) eindeutig zu spät. Daran änderte sich für ihn auch nichts, nachdem er gründliche Akteneinsicht genommen und an den diskussionsintensiven Sitzungen teilgenommen hatte. „Der Verwaltungsvorstand hat uns zu spät informiert. Wir wurden erst hinzugezogen, als nichts mehr zu ändern war“, kritisierte er.

Auch die Sitzung am Freitag, an der Salomon Bausch als Gast teilnahm, verlief holperig. Weil Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) wegen Terminüberschneidungen zur Irritation der anderen zunächst fehlte, wurde die Sitzung unterbrochen.

Die Krise trifft das Tanztheater zu einem Zeitpunkt, da in Berlin um die so nötige Förderung des Pina-Bausch-Zentrums intensiv gerungen wird. Der Beirat betonte am Freitag, sich gemeinsam mit Stadt und Land für eine „gesicherte Weiterentwicklung“ des Tanztheaters einsetzen und das Pina- Bausch-Zentrum im Wuppertaler Schauspielhaus verwirklichen zu wollen. Nocke: „Heute ist niemand erleichtert. Die eigentliche Arbeit liegt vor uns. Der eingeleitete Prozess darf nicht auf Kosten der künstlerischen Qualität gehen.“

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