Sibylle Bergs „Angst reist mit“ in Stuttgart
Stuttgart (dpa) - In manchen Freundeskreisen gibt es große Einigkeit, wie „richtiges“ Reisen in ferne Länder zu funktionieren hat.
Da werden „ruhige Flecken“ in Thailand gesucht, „echte“ Erlebnisse beim Tanz mit Einheimischen gelobt und der „ganze Touri-Kram“ verachtet. Auch die Figuren im neuen Stück von Sibylle Berg, „Angst reist mit“, sind so. Berg erzählt die Gesichte einer Touristengruppe, deren Reise im Desaster endet. Das „Reiseoperepos“ untertitelte Werk feierte am Samstag Uraufführung am Staatstheater Stuttgart.
Im Zentrum stehen Karl und Karla, ein Lehrerpaar in den Fünfzigern, und Ansgar und Kevin, zwei Journalisten eine Generation drunter. Schnell merken die vier, dass ein exotischer Ortswechsel keine Probleme löst. „Bin ich wieder schwierig [..] weil ich Prospekten glaubte, [..] mit Garküchen, singenden Kindermönchen, ursprünglicher Herzlichkeit, Volkstänzen?“ fragt Karla und offenbart ihr schwieriges Verhältnis zum eigenen Mann. Ansgar und Kevin können auch am fernen Strand ihre Abwesenheit von moralischer Haltung und Sicherheit nicht übertünchen. Statt gesellschaftlicher Aufklärung und Bildungsauftrag pflegen sie ihre eigenen Egos - und landen doch nur in prekären und kaum angesehenen Jobs.
Der Weg der Reisenden in der knapp anderthalbstündigen Aufführung führt geradewegs in eine Entführung. „Sie wissen doch, wie das in der Dritten Welt ist: Wir sind ungebildet, fühlen uns unterlegen, und dann werden wir böse“, sagt eine Einheimische. Schuld sei schließlich daran auch der ignorante Tourist selbst: „Haben Sie sich eigentlich, bevor Sie die Reise buchten, ein klein wenig über die politischen Zustände in Ihrer Feriendestination informiert?“