Shakespeare-Festival: Erst am Ende wird alles gut

Neuss startet mit einer turbulenten, eher selten gezeigten Komödie von William Shakespeare.

Neuss. Tempo, Tempo, Tempo. Zweieinhalb Stunden Feuerwerk auf der Bühne des Globe-Theaters in Neuss: Mit einer prallen Inszenierung von "Ende gut, alles gut" eröffnete die Bremer Shakespeare Company das Shakespeare-Festival in Neuss.

Die selten gespielte Komödie erwies sich in dieser Inszenierung als Glücksgriff zum Festivalstart. Den Themenkomplex um Glück, Eifersucht und Liebe, Aufstieg, Geschäft und Sex bringt das Ensemble mit großer Spielfreude auf die kleine Bühne, ohne je den Shakespeare’schen Duktus zu verlieren.

Die Handlung, verworren genug, dreht sich um die ebenso schöne wie lebenskluge Arzttochter Helena, die ihren Grafensohn bekommt, verliert und sich dann doch - siehe Titel - wiederbeschafft. Mit List und Tücke, Hingabe und Lebensklugheit verfolgt Helena ihren Weg; eindeutig die Sympathieträgerin des Werkes, das Shakespeare einer Erzählung von Bocaccios Decamerone nachempfunden hat.

Die Bremer bringen das Stück in einer Neuübersetzung des Regisseurs Sebastian Kautz heraus. Drall und prall, mit derbem Witz und einigen melancholischen Szenen, die Verletzlichkeit zeigen, entwickelt sich die Handlung, immer wieder unterbrochen von überraschenden Einschüben von teils unbändiger Komik. Die fünf Ensemblemitglieder brillieren in den 18 Rollen.

Das Publikum, im Globe ohnehin den Schauspielern ungewohnt nahe, kann und will sich nicht entziehen: Wenn denn die verzweifelte Helena gedankenschwer fragt: "Sind denn die Männer alle so?" und den Blick in die Runde schweifen lässt, dann mag man in der sekundenlangen Pause fast ein klares "Ja" aus den Reihen hören.

Und wenn der König, soeben durch Helena von grausamer Krankheit geheilt, die Männer im Saal bittet sich zu erheben ("Nur für einen Aufgenblick, bitte,") und sie dann mit großer Geste der tapferen Verliebten anbietet: "Das sind die Männer, über die ich Macht habe" - dann wissen die Zuschauer doch: Helena wird sich Bertram erbitten, den Grafensohn. Der will sie bekanntlich nicht, flüchtet in den Krieg, und das Intrigenspiel geht weiter.

Die prallen, oft lauten Szenen kontrastieren mit der zurückhaltenden Ästhetik des Bühnenbilds. Da markiert die eingeschobene Papp-Zypresse den Handlungsstrang in der Toscana, ebenso steht ein Eiffelturm für die Partie am Königshof in Paris. Nur einmal ändert sich die Szenerie. In der entscheidenden Liebesnacht, in der Helena den tumben Bertram überlistet und sich statt der erwarteten Toscanerin in sein Bett schleicht:

Da fällt ein lila Vorhang, dann greifen in lichter Höhe erst zwei weiße Arme durch den Stoff, es erscheint ein liebliches Gesicht, die Hände werden gefaltet, der Kopf neigt sich huldvoll - Maria. Unten schleicht in Wetterhäuschen-Manier die traurige Diana, mit Geld und durch Druck ihrer geschäftstüchtigen Pizzeria-Mamma zum Verzicht bewogen, davon. Helena ist endlich, wo sie sein will.

Bis das vereinte Paar fröhlich die Hochzeitgeschenke auspackt und sich vor lauter "vergib mir" ein weiterer Streit anbahnt, sind zweieinhalb Stunden Volkstheater im besten Sinne vergangen. Janina Zamani, Tim D. Lee, Markus Seuß, Beate Weidenhammer und Michael Meyer haben nicht nicht nur ihre Spielkunst in Frauen- sondern auch in Männerrollen bewiesen und außerdem ihr musikalisches Talent. Waschbrett, Akkorden, Bass und Gitarre, dazu die singende Säge geben eben ein vorzügliches Instrumentarium für ein Shakespeare-Kammerorchester ab.

"Was man nicht alles für die Liebe tut, Hauptsache ..." Der Spruch des Königs zum Schluss wird mit dieser Inszenierung fulminant mit Leben gefüllt. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus.

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