„Schluss mit der Disziplin“

Kölns Intendantin Beier über den Wert des Theatertreffens.

Frau Beier, was bedeutet die Einladung nach Berlin für das Kölner Schauspiel?

Beier: Das ist eine tolle Auszeichnung, die es so in Köln noch nicht gegeben hat und auch sonst nicht häufig gibt. Die Ehrung kam für uns zum richtigen Zeitpunkt, als die Stadt nur noch die Frage nach Sanierung oder Neubau des Schauspielhauses bewegte. Mit dem Erfolg im Nacken hatten wir eine stärkere Position. Das ist jetzt ausgestanden. Das Schauspielhaus wird saniert, wir können ein Jahr länger am Offenbachplatz spielen.

Beier: Selbstverständlich. Ich glaube aber, dass wir schon durch die zweieinhalb Jahre, die wir hier arbeiten, einen kleinen Bonus haben. Natürlich steigt damit auch mein Marktwert. Außerdem ist es schön, wenn Köln im Kulturbereich auch mal mit Positivem Schlagzeilen macht.

Beier: Die Verkörperung armer sozialer Milieus auf dem Theater ist schwierig, weil sofort diskutiert wird, wie real die Darstellung ist. Mir war früh klar, dass ich nicht nur das Elend darstellen will, sondern auch wer darauf guckt. Also das, was ich sozialen Voyeurismus nenne. Der andere Grund ist banaler. Es ist sehr schwierig, eine sozial codierte Sprache zu finden. Die Entscheidung für den Kasten hat dann auch dieses Problem gelöst.

Beier: Ich bin wie alle, die am Theater arbeiten, narzisstisch veranlagt und freue mich natürlich sehr. Ich möchte mich davon aber nicht abhängig machen. Als freischaffende Regisseurin kann ich mich dem entziehen. Als Intendantin muss ich mich allerdings der Frage nach dem Standing unseres Hauses in der deutschsprachigen Theaterlandschaft stellen.

Beier: Wir sind das Theater in der viertgrößten Stadt in Deutschland, und unser Interesse gilt Regisseuren und Schauspielern, die auch am Wiener Burgtheater oder an den Münchner Kammerspielen arbeiten. Das ist die Liga, in der wir mitmischen wollen. Es ist nicht einfach, Regisseure, die oft nur drei Inszenierungen pro Spielzeit machen, hierher zu locken. Da hilft uns die Tatsache, dass das Kölner Schauspiel das Theatertreffen etwas dominiert.

Beier: Die Nachricht aus Berlin kam am Karnevalssamstag, und wir haben dann etwa 80 Mal das schöne Lied "Ja, da sind wir dabei, das ist prima, Viva Colonia" gehört. Ich fände es toll, wenn uns diese Ehrung jetzt die Kraft für die Interimszeit der Sanierung gibt. Bei den letzten Berliner Einladungen war ich sehr diszipliniert. Diesmal möchte ich feiern. Jetzt ist Schluss mit der Disziplin.

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