Ruhr Museum: Gedächtnis des Ruhrgebiets

Am Sonntag eröffnet das Ruhr Museum in der Kohlenwäsche der Zeche Zollverein.

Essen. Eine Kohlenwäsche ist kein Gebäude, sondern eine gigantische Maschine, in der die Kohle vom "tauben Gestein" getrennt wird. Oben wird das Fördergut eingefüllt und fällt dann unter Zusatz von Wasser langsam nach unten. Diesen Weg zur "Raffinierung" der Energie kletterten früher die Grubenarbeiter über eine Eisenstiege empor, denn einen Eingang gab es nicht. Die Architekten um Rem Koolhaas behandeln das Publikum im neuen Essener Ruhr Museum wie Rohkohle. Nur gelangt es nicht kletternd nach oben, sondern lustwandelt über eine Rolltreppe aufwärts. Dort erlebt es ab Sonntag das grandiose Schaustück eines modernen Kulturinstituts.

"Dass ich das noch erleben darf", entfuhr es am Freitag dem Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, denn das Konzept brauchte zehn Jahre bis zu seiner Verwirklichung. Die ersten Ideen entwarf Museumschef Ulrich Borsdorf sogar schon 1986, sie verschwanden aus Kostengründen in der Schublade. Nun verhalfen Landschaftsverband, Stadt Essen und Land NRW dem Wunschtraum zur Wirklichkeit. 55 Millionen Euro kostete der denkmalgerechte Umbau der Kohlenwäsche, 7,5Millionen kamen für die Einrichtung hinzu. Das hört sich viel an, aber dafür hat das alte Ruhrland Museum nun eine spektakuläre Bleibe.

Das "Haus" lebt von seinen räumlichen Sensationen dem Rohkohlebunker, den Maschinen, den trichterartigen Gucklöchern der Schachttrichter. Der Stuttgarter Ausstellungsarchitekt H.G. Merz reagiert auf die Gegebenheiten mit kleinen Kabinetten oder großen Fluchten; er positioniert Monstranzen und Hostienschalen neben die archaisch wirkenden Zechen-Anlagen.

Das Ruhr Museum sieht sich als "Gedächtnis des Ruhrgebiets", seine 5000 Exponate sind von unglaublicher Vielfalt. Beleuchtet wird die Geschichte der Region von der Entstehung der Kohle vor 300 Millionen Jahren bis zum heutigen Strukturwandel. Neben der Natur- und Frühgeschichte werden kulturelle Kostbarkeiten wie das Karolingische Evangeliar oder die lebensgroße Statue des Kölner Bischofs Engelbert, Schädelteile des "ältesten Westfalen", aber auch Gerüche und Geräusche präsentiert. Es duftet je nach Knopfdruck wie im Kiefernwald oder stinkt wie in einer Pommesbude. Man kann auf weiße Kreise treten und sich die Stimmen der Schalke-Fans aus dem Stadion von Gelsenkirchen herbeiholen. Dann wieder sucht das Museum nach dem typischen Menschen aus dem Ruhrgebiet. "Deutsche, Polen, Oberschlesier?" steht auf einem Vitrinenglas.

Die Schau ist witzig, sie schreckt nicht vor Gelsenkirchener Barock zurück. Natürlich fehlt auch eine Alfred Krupp-Skulptur nicht, schließlich hat der Patriarch zum Ruf Essens als Metropole des Ruhrgebiets entscheidend beigetragen.

Es gibt schöne Geschichten, zur Weste des Kriminalhauptkommissars Horst Schimanski oder zur Kriegs-Mutter, die für ihr Baby aus Angst vor Seuchen ein Einweckglas mit Quellwasser einkochte. Das Baby ist längst erwachsen, das Baby-Wasser überdauerte die Zeiten.

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