Premiere im Gasometer: Das Orchester macht Revolution

Das Theater Oberhausen probt im Gasometer ein Büchner-Fellini-Projekt.

Oberhausen. Plötzlich ist für den weiblichen Clown Schluss mit lustig. Erst versucht eine biedermeierliche Harfenistin ihr betulich die Geschlechtsidentität der Geige zu erklären, dann kommt auch noch das Flügelhorn zu spät. Schlagartig tauscht Sabine Wegmann als knollennasiger Clown den spaßigen Trompetenton gegen eine schmallippige Kälte und lässt das konterrevolutionäre Flügelhorn einfach am zentral platzierten Galgen aufhängen.

Der Clown stellt so etwas wie das missing link in der neuen Produktion des Theater Oberhausen dar, die Intendant und Regisseur Johannes Lepper gerade im Gasometer probt. Unter dem Titel "Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!" inszeniert er ein Doppelprojekt aus Büchners Revolutionsdrama "Dantons Tod" und Fellinis Film "Die Orchesterprobe".

Die Parallele sieht Lepper darin, dass trotz aller guter Absichten und Taten der Menschen die Welt immer wieder ins Chaos gerät. Was bei Büchner die Macher der Französischen Revolution, sind bei Fellini die Orchestermusiker, die eine Probe komplett ins Tohuwabohu stürzen. "Obwohl sie Künstler sind, sind sie genauso wenig imstande, ein Weltmodell zu formulieren", sagt Lepper.

Und so tragen die Oberhausener Schauspieler eine Mischung aus Orchesterfrack und Perücken des 18. Jahrhunderts. Kaum hat man ein paar Takte der Marseillaise geträllert, da gerät Marek Jera, der den Danton und den Dirigenten spielt, in die Defensive. Als Orchesterleiter wird er von den Musikern des Amtes enthoben, als sinnlicher, des Mordens müder Revolutionär bringt ihn Robespierre zuerst ins Gefängnis, dann auf die Guillotine.

Geschickt spielen sie mit dem Nachhall, verzögern das Echo. Gespielt wird auf der Besucherplattform, dem kreisrunden Umgang und zwischen den Zuschauern, die diesmal auf der großen Freitreppe Platz nehmen (und trotz schönem Herbstwetter warme Kleidung mitbringen sollten).

Und so wie beim "Parzival"-Projekt ein riesiges Pendel an der Decke die Raumdimension erfahrbar machte, so soll die Kuppel des Gasometers auch diesmal wieder eine besondere Rolle spielen. Welche, das erfährt man am Freitag bei der Premiere.

Karten: Tel. 0208-85 78-184. Lange Büchner-Nacht: 27.10.

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