Lügenbarone ohne Esprit

Hildebrandt und Willemsen können mit „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ in Düsseldorf nicht so richtig überzeugen.

Düsseldorf. Bereits die Eintrittskarte lügt wie gedruckt. Das Ticket, das Zugang zum großen Saal des Düsseldorfer Schauspielhauses gewährt, nennt als Titel des Programms von Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort - Die Weltgeschichte der Liebe." Dies entbehrt natürlich jeder wahren Grundlage, denn schließlich ist es die Weltgeschichte der Lüge, der sich die beiden Herren an diesem Abend widmen wollen.

Weitreichende Bögen spannen sie über die letzten 2.000 Jahre der Geschichte von Menschheit, Religion, Philosophie und natürlich Politik. Hildebrandt und Willemsen reißen all diesen Formen des Daseins den verhüllenden Schleier fort, um die vielen darunter verborgenen Fratzen der Lüge zu enttarnen.

Es dauert keine zehn Minuten und der spitzbübische Willemsen hat den granteligen Hildebrandt in einen kulturwissenschaftlichen Diskurs verstrickt, der ein Gewitter von gemeinen Falschaussagen und Aphorismen großer Denker auf die 876 Besucher niederprasseln lässt.

Diese exakte Zahl ist nicht mal gelogen, sie stammt von Willemsen selbst. Und diesem so brav anmutenden Mann kann man nur vertrauen, soviel Mühe er sich als Lügenbaron auch geben mag. Manche Unwahrheit ist offenkundig nicht mehr ganz frisch, etwa dass Marco Polo wohl nicht in China war oder dass es das Mittelalter nie gegeben hat, andere dagegen sind so hanebüchen, dass man sie sofort adoptieren möchte.

Zum Beispiel, dass es sich bei Bielefeld um eine frei erfundene Stadt handeln soll. Vor allem aber sind es Figuren wie George W. Bush, Roland Koch, Helmut Kohl und Guido Westerwelle, die als Musterlügner herhalten müssen.

Dass der Abend leider nicht uneingeschränkt Spaß bereiten kann, liegt nicht an der mangelnden Eignung der Herren Hildebrandt und Willemsen, Anekdoten aus der Welt der Unwahrheit zum Besten geben. Das ist sogar eine ausgewiesene Kernkompetenz der beiden. Weil sie aber ihr mittlerweile über zwei Jahre altes Programm immer noch von ihren Manuskripten ablesen, entspinnt sich auf der Bühne kein glaubhaft geführtes Gespräch, sondern nur die zu schnell hingeworfene Aufführung eines Dialogs.

Wer nicht auf der Hut ist und noch der gespielten Entrüstung des Einen folgt, verpasst die flott hinterhergeworfene Pointe des Anderen. Erfrischend und inspiriert wirken die beiden erst, wenn sie sich nach Versprechern oder spontanen Bemerkungen vom Drehbuch lösen. Leider bleiben diese Ausflüge die Ausnahme. Traurig wird es, wenn diese Unterbrecher wie Willemsens "Korillenraff" eingeplant sind und die Spontanität als Lüge auffliegt.

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