Lohers „Am Schwarzen See“ uraufgeführt

Berlin (dpa) - Zwei Paare, ein Schicksal. Ihre Kinder haben sich gemeinsam ertränkt. Jetzt kämpfen zwei Mütter und zwei Väter ums eigene Überleben. Dea Loher erzählt in ihrem in Berlin uraufgeführten Werk „Am Schwarzen See“ von einer privaten Tragödie, die nicht privat bleiben kann.

Dea Loher hat sozusagen ihren eigenen „Uraufführungsregisseur“. Auch ihr jüngstes Werk „Am Schwarzen See“ wurde wieder von Andreas Kriegenburg auf die Bühne gebracht - ein Drama um zwei Ehepaare, deren halbwüchsige Kinder gemeinsam Selbstmord begangen haben. Premiere war am Freitagabend im Deutschen Theater Berlin. Das Publikum feierte die preisgekrönte Autorin, den Regisseur und vor allem das glänzende Schauspielerquartett Bernd Moss, Natali Seelig, Jörg Pose und Katharina Marie Schubert ausgiebig - obwohl das Stück um Verlust und Verzweiflung nicht ganz an die Größe von Lohers Werken „Diebe“ oder „Unschuld“ anknüpfen kann.

Die Dramatikerin nähert sich ihrem Thema dieses Mal aber auch ganz anders. In „Am Schwarzen See“ bietet sie dem Zuschauer kein breites, anhand von Einzelschicksalen erzähltes sozialkritisches Panorama, sondern eine ganz private Tragödie. Die eignet sich nicht so ohne weiteres als Spiegel gesellschaftspolitischer Probleme, auch wenn immer wieder etwas von der Ziellosigkeit und Unverbindlichkeit einer ganzen Generation durchschimmert.

Umso tiefer unter die Haut gehen dem Publikum die existenziellen Probleme und Fragen der vier Figuren, ihr furchtbares Leiden. Die Brauereibesitzer Cleo und Eddie (Natali Seelig und Bernd Moss) treffen sich in ihrem Haus am Ufer des Schwarzen Sees nach vier Jahren zum ersten Mal wieder mit den inzwischen in der Stadt lebenden Eheleuten Else und Johnny (Katharina Marie Schubert und Jörg Pose). Dort geschah damals das Unfassbare. Dort ertränkten sich die Kinder Nina und Fritz - ein Teenager-Liebespaar - zusammen in den kalten Fluten des Sees.

Das Panoramafenster zum See ist im Bühnenbild von Harald Thor ein riesiger, quadratischer blinder Fleck, der den Eltern später als Leinwand für ihre eigene, gezeichnete See-Version dient. Weil Eddie seit dem Tod der Tochter alles verschenkt, was Cleo anschafft, treffen die Paare in einem kahlen Raum aufeinander, in dem der Putz von den Wänden blättert und nur ein Heizkörper Wärme spendet. Eines der wenigen Requisiten ist ein Polstersessel, auf den sich die trauernden Paare wie Ertrinkende retten.

Warum wollten unsere Kinder nicht mehr leben? Warum haben wir unseren Kindern nicht vorleben können, dass das Leben lebenswert ist? Auf diese Fragen wird es am Ende keine Antwort geben. Wie ferngesteuert wirken die immer wieder auf der Drehbühne kreisenden, trauernden Eltern, die ihre eigenen Lebensentwürfe hinterfragen. Kriegenburg gibt seinen Darstellern bei aller Körperlichkeit ihres Spiel viel Raum, die melodische Sprache Lohers auszuloten. Ein Theaterabend mit Nachwirkung.

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