Kent Nagano gibt den Stab ab

Star-Dirigent verlässt nach Diskussionen und Polit-Gerangel die Bayerische Staatsoper.

München. Star-Dirigent Kent Nagano will nach Diskussionen um seine berufliche Zukunft nicht an der Bayerischen Staatsoper bleiben. Der Generalmusikdirektor schreibt in einem Brief, den seine Agentur am Dienstag veröffentlichte, dass er für eine Vertragsverlängerung über 2013 hinaus nicht mehr zur Verfügung stehe.

Die Münchner Kulturszene verliert in rascher Folge viele ihrer Stars. Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, warf nach Querelen um seine Vertragsverlängerung bereits im vergangenen Jahr das Handtuch und wechselt 2012 nach Dresden.

Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) wollte den Vertrag mit Gärtnerplatz-Intendant Ulrich Peters nicht verlängern. Chris Dercon, den Direktor des Hauses der Kunst, zieht es zur Tate Modern nach London - und nun geht auch Nagano (58).

Der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln schreibt, wolle mit seiner Entscheidung "kulturpolitische Spekulationen und Spannungen" verhindern, "die letztlich allen Beteiligten Schaden zufügen und der noblen, einmaligen Tradition der Bayerischen Staatsoper, dem Ruf Münchens und seiner Gesellschaft nicht gerecht werden".

Der Schaden war aber bereits angerichtet, als aus dem Ministerium gewiss nicht zufällig durchsickerte, Heubisch werde den Vertrag des Dirigenten nicht verlängern. Die SPD-Kulturpolitikerin Isabell Zacharia sagte: "Was Nagano schreibt, ist eine Kritik an der Kulturpolitik, die ich so deutlich noch nie von einem Kulturschaffenden gehört habe." Heubisch ließ mitteilen, er nehme Naganos Entschluss "mit großem Respekt und Bedauern zur Kenntnis".

Es gilt als ausgemacht, dass anhaltende Spannungen zwischen dem introvertierten und nachdenklichen Nagano und dem offensiv und laut agierenden Intendanten der Staatsoper, Nikolaus Bachler, der Grund dafür sind, dass Heubisch den Dirigenten loswerden wollte.

Nagano wird häufig als uneitler Diener der Musik bezeichnet und bewegt sich jenseits des Mainstream - also Johannes Brahms, John Adams und Oliver Messiaen statt Mozart, Beethoven und Verdi. Es hat etwas gedauert, aber zum Darling der Münchner Opernfreunde wurde er damit trotzdem. Bachler, der frühere Wiener Burgtheaterdirektor mit dem Auftreten eines Platzhirschs, ist das glatte Gegenteil: Der Anhänger der prallen, italienischen Hochemotionsoper möchte den Bayern am liebsten nur musikalische Ereignisse der "Doppelrahmstufe" bescheren.

Folglich war das Verhältnis zwischen Dirigent und Intendant wohl nie eines. Sie ignorierten sich bei gesellschaftlichen Ereignissen zuletzt geflissentlich. Für seine zweite Amtszeit hat Bachler offenbar die Trennung von dem bisherigen Generalmusikdirektor zur Bedingung gemacht.

Naganos Nachfolge ist offiziell noch offen. Doch es kursieren Gerüchte, wonach Kirill Petrenko - bis 2007 an der Komischen Oper Berlin und seit Mai 2010 an der Wiener Staatsoper - zu Bachlers und Heubischs Favoriten gehört. Vermutlich würde der Dirigent (Jahrgang 1972) gut zu denIdeen des Intendanten passen.

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