Interview: Heimspiel für die Toten Hosen

Campino über Weihnachtskonzerte, das Schauspielern und die Grabstätte der Band.

Düsseldorf. Campino, die Weihnachtskonzerte sind traditionell wahre Hosen-Happenings. Was habt ihr vor?

Campino: Bei Heimspielen in Düsseldorf wollen wir uns nichts Schlechtes nachsagen lassen. Wenn da ein Abend schiefgeht, wirst du am nächsten Tag in der Altstadt darauf angesprochen. Außerdem ist klar, dass es bei sechs Abenden Leute gibt, die sich die Sache zwei, wenn nicht drei Mal reinziehen. Da ist es für uns zwingend, jeden Abend anders zu gestalten.

Campino: Um die hundert, aber auf die müssen wir nicht komplett zurückgreifen, selbst wenn wir Ausflüge machen oder Raritäten spielen, die wir noch nie auf der Bühne gebracht haben. Außerdem gibt es ein Korsett, die Weihnachtsklassiker sind gesetzt - schließlich haben wir den Weihnachtsmann auf dem Poster. Aber selbst in diesem Bereich können wir austauschen. Es kommt auf die Stimmung an jedem einzelnen Abend an. Ein Lied wie "Nur zu Besuch" kann die ganze Halle runterziehen, in die andere Richtung sind die Party-Lieder wie Gewürze, die zu dosieren sind. Es ist Fingerspitzengefühl gefragt, weil jedes Publikum anders ist.

Campino über Filmangebote

Campino: Es ist eine Love-Story auf Gegenseitigkeit. An diesem Tag ist auch mir zähem Hund anders geworden. Ich weiß nicht, ob in Düsseldorf 10 000 Menschen am Abend kämen, wenn es morgens lediglich hieße: Heute Abend, Schadowstraße, die Hosen sind da - vielleicht wären es ein paar hundert, ich weiß es nicht.

Campino: Wenn man es kaufen könnte, gut Spanisch zu können, würde ich Haus und Hof dafür hergeben. Englisch ist in Europa Standard, aber wenn man Süd-, oder auch Nordamerika bereist, erfährt man, wie wichtig Spanisch in der Welt ist. In dieser Sprache wird alles viel körperlicher und sinnlicher ausgedrückt, Gefühle werden direkter ausgesprochen. Die Menschen haben dort ein anderes Verhältnis zu ihrem Körper, zum Tanz. Aber ich will Südamerika nicht idealisieren oder Äpfel mit Birnen vergleichen - hier ist eben auch vieles sehr lebenswert und von Vorteil.

Campino: In einigen Ländern brennt es, dort bekommt man die Kriminalität nicht in den Griff. In Caracas gibt es aus Angst vor Straßenraub nur noch Autos mit verdunkelten Scheiben. Und unser Konzert in Guatemala wurde von 300 Militärpolizisten gesichert.

Campino: Das ist nett von Wim. Es gibt auch immer wieder Angebote, zum Teil auch abseitige. In einem Film sollte ich als Psychiater auftauchen. Ganz ungeheuerlich war das Angebot, in "My Fair Lady" mitzuspielen - ich weiß gar nicht, welche Rolle ich da übernehmen sollte. Tatsächlich schließe ich nicht aus, wieder in einem Film mitzuwirken - aber dann muss die Konstellation stimmen, und es muss klar sein, warum genau ich dort mitmachen soll. Ich bin in der glücklichen Situation, dass mich niemand mit Geld ködern kann. Mit mir selber habe ich längst abgeklärt, dass ich mich stärker auf die Musik konzentrieren will, wenn es wieder losgeht - denn ich weiß, dass ich mit meiner Berufswahl definitiv nicht daneben gelegen habe. Wir kamen durch meine darstellerischen Ausflüge beim letzten Album etwas unter Zeitdruck.

Campino: Wir waren nach "Zurück zum Glück" in einer Orientierungslosigkeit, und dann ist mit "In aller Stille" eine unserer gelungensten Arbeiten entstanden. Aber der Schlüssel zu guter Arbeit ist Zeit - und wenn wir ein halbes Jahr länger gearbeitet hätten, wäre dies definitiv unser bestes Album geworden. Es gibt darauf zwei bis drei Lieder, die in meinen Augen nicht die Substanz der übrigen haben und es dann wohl nicht aufs Album geschafft hätten.

Campino: Das wäre ein Diskussionsprozess in der Band, aber "Angst" oder "Wir bleiben stumm" sind nicht meine Favoriten.

Campino: Es ist eine eindringliche Mahnung, dass wir nicht der Versuchung erliegen können, zu glauben, dass alles ewig so weitergeht. Wir hatten ein schönes Jahr mit tollen Konzerten und viel Zuspruch der Menschen, auch körperlich lief es so gut, dass wir dachten, wir können es noch so gut wie vor 20 Jahren. Aber das Leben geht weiter, und der Zug fährt geradeaus in Richtung Endstation. Und da Uwe Faust beschlossen hat, in Düsseldorf beerdigt zu werden, wird uns jetzt auch abgenommen, dass die gemeinsame Grabstätte auf dem Südfriedhof, wenn sie denn mal ein Joke war, nun keiner mehr ist.

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