Heinz Erhardt: Komisch und nie verletzend

Der Schauspieler wäre am Freitag 100 Jahre alt geworden. Er bleibt ein Gegenentwurf zu Krawall-Unterhaltern.

Düsseldorf. Es ist ja nicht so, dass Heinz Erhardts Werke aus der Welt wären. Seine Bücher werden noch gerne verschenkt, eine Kindheit ohne das berühmte Maden-Gedicht ist keine Kindheit, und wer das Fernsehgerät zum Beispiel an einem Sonntagnachmittag einschaltet, trifft häufiger auf eine der zahlreichen Wiederholungen von "Natürlich die Autofahrer", "Drillinge an Bord" oder "Was ist denn bloß mit Willi los?" Filme, die Erhardt berühmt gemacht haben. Gegen das Vergessen kämpft die Familie also nicht. Noch nicht.

Marek Erhardt, Enkel des berühmten Wortartisten und Unterhalters, ist vom großen Interesse am runden Geburtstag überrascht. "Ich bin jedoch mal sehr gespannt, ob sich das Thema Heinz Erhardt weiterhin durchsetzt. Man darf nicht vergessen: Irgendwann wird die Generation, die ihn live erlebt hat, selbst nicht mehr leben. Ob die nachfolgenden Generationen sich von allein mit ihm befassen werden?"

Es war wohl auch Erhardts eigene Furcht: "Wir haben erst spät begriffen, dass es eine tiefe Angst war, die ihn immer wieder ins Rampenlicht trieb. Die Angst, vergessen zu werden," schreiben seine Töchter in einem Buch-Vorwort. Dabei ist Erhardt nicht nur noch immer präsent, er taugt auch zum Vorbild: Erhardt bleibt ein Gegenentwurf zu heutigen Krawall-Komikern vom Schlage eines Mario Barth.

Zwar hatte auch Erhardt seine Spitzen etwa gegen Frauen parat ("Frauen sind die Juwelen der Schöpfung: Man muss sie mit Fassung tragen"), aber er hatte Charme und Esprit. Erhardt war komisch, aber nie verletzend. Und das ist hohe Kunst.

Dabei war der Weg auf die Bühne gar nicht eingeplant. Der am 20. Februar 1909 in Riga geborene Künstler wuchs in chaotischen Familienverhältnissen auf. Die ersten Jahre lebte er bei den Großeltern in Riga, dann bei der Mutter in Sankt Petersburg, dann verbrachte er mit seinem Vater, einem Kapellmeister, Jahre auf Dauertournee durch Deutschland.

Nach nicht weniger als 15 Schulwechseln brach er das Gymnasium ab und machte eine Lehre zum Musikalienhändler im Geschäft seines Großvaters in Riga. Am Leipziger Konservatorium studierte er in seinem bewegten Leben zunächst Klavier und Komposition.

Noch vor dem Zweiten Weltkrieg entschied sich Heinz Erhardt, der inzwischen Erfahrungen als Stegreifkomiker gesammelt hatte, dann doch für das Theater. "Viele betreten ja die Bretter, die die Welt bedeuten - und merken nicht, dass sie auf dem Holzweg sind", dichtete er mal.

Er selbst war auf dem Weg nach oben. Bis der Krieg kam. Es passt zu Erhardts Humor, dass er dabei zur Marine eingezogen wurde - als Nichtschwimmer. Also war er schon im Krieg für die Soldaten das, was er später erfolgreich für die ganze Republik werden sollte: Unterhalter.

Nach Kriegsende brauchte Erhardt nicht lange, um wieder Erfolg zu haben. Er war Radioreporter, spielte Theater und wieder den Alleinunterhalter auf der Bühne. 1957 drehte er mit "Der müde Theodor" seinen ersten Kinofilm und schaffte noch im selben Jahr mit "Witwer mit fünf Töchtern" einen riesigen Kassenerfolg.

Heinz Erhardt war komisch auf der Bühne, in seinem Privatleben aber deutlich ernster und von der Arbeit besessen. Seine Töchter erinnern sich, wie er manchmal selbst beim Familienausflug einen Rastplatz anfuhr und sich Notizen machte. Schon hatte er noch ’n Gedicht. Er verbrachte seinen Geburtstag und den Hochzeitstag auf der Bühne, genoss den Erfolg und machte sich dabei Gedanken, was sei, wenn die Leute ihn einmal nicht mehr sehen wollten.

Bis zum Ende auf der Bühne zu stehen, war dem Komiker nicht vergönnt: "Wenn mir, Gott bewahre, etwas zustoßen sollte, und ich zum Beispiel nicht mehr gehen kann, dann müsst ihr mich eben auf die Bühne tragen. Solange ich nur sprechen kann, werde ich es schaffen, das Publikum zum Lachen zu bringen."

Genau das aber, Sprechen, konnte er nicht mehr, nachdem er 1971 einen Schlaganfall erlitten hatte. Aus der Öffentlichkeit zog er sich nach dem Schicksalsschlag zurück. Er starb am 5. Juni 1979. Die ARD zeigt am Donnerstag ab 20.15 Uhr einen Gala-Abend: "100Jahre Heinz Erhardt - Der Schelm der Nation".

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