Grace Jones: Der Wirbelsturm ist zurück

Grace Jones bringt mit ihrer Show Glamour auf die Bühne. Die Zeiten der Provokation sind allerdings vorbei.

Düsseldorf. Über die Bühne peitscht ein Hurrikan. Miss Grace Jones gerät elegant und betont naiv ins Straucheln, fletscht dann die Zähne und stemmt sich mit Stimmgewalt und Körperkraft dagegen. Ihre Fans feuern sie ehrfürchtig dabei an.

Plötzlich wird die einstige Stil-Ikone selbst zum Wirbelsturm, fegt mit ihrem wehenden Umhang über die Bühne der Düsseldorfer Philipshalle und singt davon, dass sie Bäume ausreißen wird. Man ist geneigt, das wörtlich zu nehmen.

Nach 19 Jahren Pause ist die Stil-Ikone der 80er Jahre zurück auf der Bühne. Und wären da nicht die Gerüchte, die 60-Jährige habe ihre Kasse in dieser Zeit durch Privatauftritte bei Scheichs und russischen Oligarchen aufgebessert, man wäre überzeugt, Grace Jones habe die 19 Jahre tiefgekühlt im unterirdischen High-Tech-Labor eines James-Bond-Films verbracht: makelloser Körper, extravagantes Outfit und exzentrische Mimik - alles perfekt konserviert.

Eines allerdings hat sich in diesen zwei Dekaden doch geändert: Galten ihre Provokationen und Eskapaden in den 80ern noch als Gesellschaftskritik, sind sie heute pure Unterhaltung. Vorbei die Zeiten, als man mit nacktem Hintern, Homo-Erotik und dem Spiel mit Geschlechterrollen als Musikerin eine echte Debatte auslösen konnte.

Grace Jones scheint das zu wissen: Nach jedem Song verschwindet sie hinter einem Vorhang, um sich neuen Kopfschmuck befestigen zu lassen, und plaudert dabei fast schon liebevoll mit ihren Fans, die meist zwischen 40 und 50 Jahre alt sind: "Ich fühle mich so wohl hier bei euch", seufzt sie, etwas außer Atem. Und: "Diesen Song hat mein Sohn für mich geschrieben. Ich habe ihn zum Geburtstag bekommen."

So hört sich keine männerfressende Raubkatze an. Die blitzt nur auf, wenn Jones zu "Demolition Man" oder "Devil in my Life" aggressiv ins Publikum starrt, die Zähne fletscht und die Zunge ausfährt. Sie weiß, was ihre Fans erwarten, und sie beherrscht es noch immer in Vollendung.

Zu einem ihrer größten Hits "Pull Up to my Bumper" lässt sie einige Fans auf die Bühne, um mit ihnen zu tanzen. Und einige Herren in der ersten Reihe bekommen einen Kuss auf den Mund - das ist auch so eine Maxime der Grace Jones: Glamour für alle.

Die knapp 2000 Zuschauer in der Philipshalle toben aber erst so richtig, als Jones ihren Welthit "Slave to the Rhythm" singt und nebenbei einen pinkfarbenen Hula-Hoop-Reifen um die Hüfte kreisen lässt. Sie macht das sehr lässig und stemmt sich damit fast gegen den hektischen Enthusiasmus ihrer Fans. Dem Affen Zucker zu geben ist noch immer nicht ihr Ding.

Das Comeback-Album "Hurricane" ist trotz der gewohnten Elektropop-, New Wave- und Reggae-Klänge nicht von gestern. Die Songs haben eine neue Tiefe, wenn sie von ihrer Mutter, von Gott und dem Teufel, von Liebe und dem Leben singt. Das strahlt Jones auch auf der Bühne aus. Es geht nicht mehr nur um Disko-Beats und sexualisierte Texte. Es scheint, als traue Grace Jones sich mit ihrer Musik nun auch ins echte Leben.

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