Florian Illies' Bestseller „1913“ kommt auf die Bühne

Oberhausen (dpa) - Auch Kafka, Kokoschka, Musil und Rilke hatten Beziehungsprobleme, litten unter Burnout-Syndromen und haderten mit ihren Existenzen.

Vielleicht ist es diese Alltäglichkeit der geistigen Größen des 20. Jahrhunderts, die das Buch „1913“ von Florian Illies so populär macht. Das kaleidoskopartige Sachbuch mit anekdotischen Geschichten aus dem Leben heute berühmter Musiker, Literaten und Künstler steht seit Monaten auf den Bestsellerlisten weit oben.

Seit es Ende Oktober 2012 erschien, verkaufte es sich 300 000 Mal in Deutschland. Auch in Großbritannien, den Niederlanden und Spanien ist das Buch ein Erfolg. Es soll schon bald in 17 Sprachen zu lesen sein.

Illies' feuilletonistischer Streifzug durch das Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist ein solcher Renner, dass es nicht nur Gespräche über eine Verfilmung gibt, sondern in Kürze auch die erste Bühnenfassung. An diesem Freitag wird „1913“ im Theater Oberhausen uraufgeführt. Das experimentierfreudige Haus in der hoch verschuldeten Ruhrgebiets-Stadt hat auch überregional einen guten Ruf. Und es hat sich früh um die Aufführungsrechte beworben.

Intendant Peter Carp verspricht eine „musikalisch-literarische Revue“, eine „Collage“. Die Regie hat er dem mehrfach ausgezeichneten rumänischen Theatermann Vlad Massaci anvertraut. Carp brachte das Buch Massaci persönlich in Bukarest vorbei.

Der Kunsthistoriker und Journalist Illies, berühmt für sein Buch „Generation Golf“, ist heute geschäftsführender Gesellschafter des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach. Er ließ Carp und Massaci künstlerisch freie Hand. „Im gemeinsamen Gespräch merkte ich, dass er den speziellen Zugang und den Humor meines Buches genau verstanden hat, deshalb bin ich auf die Inszenierung sehr gespannt“, erklärte der vielbeschäftigte Illies der Nachrichtenagentur dpa.

Vielleicht ist es das Geheimnis des Erfolgs von „1913“, dass
der Leser den Protagonisten so nah zu kommen scheint und sich mitten im revolutionären Aufbruch der Moderne im Vorkriegsjahr fühlen darf, auch wenn er von Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke oder Else Lasker-Schüler vielleicht zuletzt in der Schule gehört hat.

„Das Jahr im Windschatten des Krieges wurde sehr lange übersehen - plötzlich wird nun der Blick darauf frei und seine ganzen kulturellen Explosionen“, schreibt Illies. „Das ist faszinierend, vor allem wenn man versucht zu begreifen, dass die Zeitgenossen nicht wussten, dass 1913 das letzte Jahr des alten Europa sein würde.“

Auch Illies kann sich den Erfolg nicht wirklich erklären. Der Verkauf zeige aber, dass es „offenbar einen großen Hunger auf Bildung gibt, wenn man sie den Menschen ohne erhobenen Zeigefinger und mit Lust auf die Menschen hinter den Kunstwerken erzählt“, meint er.

Auch der Oberhausener Intendant Carp ist begeistert von dem Buch, in dem der Leser „einfach durch ein Jahr spaziert“, in dem „an vielen europäischen Schauplätzen gleichzeitig so viel Unterschiedliches“ passiere. Zwölf Schauspieler spielen in der Bühnenfassung jeweils mehrere Rollen, verrät er.

Illies lässt beispielsweise den erfolglosen Postkartenmaler Adolf Hitler und den späteren Sowjet-Diktator Stalin 1913 im Park von Schönbrunn in Wien spazieren gehen - vielleicht laufen sie sich sogar einmal über den Weg. Kafka betet Felice an, Kokoschka verstrickt sich in eine heiße Affäre mit Alma Mahler und der russische Pilot Nesterow fliegt mit seinem Kampfflugzeug den ersten Looping. Außerdem öffnet das erste Prada-Geschäft in Mailand.

Intendant Carp sagt über Illies' Buch: „Die Kultur starrt einen nicht wie eine strenge Zuchtmeisterin an.“

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