Eine Schlagorette zum Amüsieren

Düsseldorfs Theater an der Kö erntet viel Applaus für seine Show alter Schlager.

Düsseldorf. Tränen lügen nicht. Und auch das ist die Wahrheit: Manch einer der Premierengäste wäre am heißesten Tag des Jahres vermutlich lieber "Barfuß im Regen" unterwegs gewesen, als im Theater an der Kö Zeuge eines hitzigen Geschlechterkampfs zu werden. Das gilt zumindest für den ersten Teil des Abends.

Doch zum Glück kann sich nicht nur eine Liebesbeziehung, sondern auch ein Theaterprogramm positiv entwickeln. Und so hat der zweite Teil, was dem ersten fehlt: Schwung, Handlung und nachvollziehbare Gefühle.

Theater-Chef René Heinersdorff startet mit einem Paukenschlag in die 16. Saison: mit einer Uraufführung, die sein schlagerfestes Publikum begeistert feierte. Mitsingen ist ja auch ausdrücklich erwünscht - und die Auswahl an bekannten Texten alles andere als klein. Aus rund 60 Schlagern hat Axel Beyer (Buch und Regie) eine Schlagorette kreiert, die eine Zeitreise ist: Zwei Schauspieler sollen klassische Paare der Weltliteratur mimen und das Ganze mit Schlagern der 70er und 80er Jahre garnieren. Romeo und Herzilein, Mephisto und das Traumboot der Liebe - passt das zusammen?

Die Figuren selbst sind skeptisch. Denn Doris Winter (Angela Roy) und Michael Sommer (Walter Plathe) proben (vor Publikum) für eine Theater-Matinee und möchten sich gegenseitig die Show stehlen. Dass sie einst als Traumpaar galten, inzwischen aber Rosenkrieg und Scheidung hinter sich haben, macht die Sache nicht gerade einfacher.

Obwohl von Anfang an viel Selbstironie im Spiel ist und es Sticheleien mit realem Bezug gibt (der Direktor heißt auch im Stück Heinersdorff und meldet sich als allmächtige Stimme aus dem Lautsprecher), plätschert die Revue zunächst dahin wie ein Bach, der seinen endgültigen Weg noch nicht gefunden hat. Ein reißender Strom an Gefühlen erwartet die Gäste erst nach der Pause. Dann gibt’s Theater im Theater und die Ebenen verschwimmen: Doris singt als Cleopatra schäumend vor Wut den Badewannentango und wirft ihrem Ex private Fehltritte vor, Michael macht den Carpendale-Cäsar und punktet mit Charme.

Beyer hätte den Schlagabtausch im ersten Teil straffer organisieren können, dafür geben die Schauspieler durchgängig alles: Plathe ist als betrunkener Sänger ("Griechischer Wein") nicht zu übertreffen und nassgeschwitzt - nicht nur wegen der sommerlichen Temperaturen. Da macht das Zuschauen Spaß - vor allem auch, weil Matinee-Gast Gerlinde (Billie Zöckler) in Reihe drei sitzt, beherzt die Bühne stürmt und die naive Vermittlerin spielt. Ein perfekter Gegenpart ist Pianistin Nadja (Heike Beckmann), die Schlager hasst und süffisante Seitenhiebe liebt.

Der Schlagorette fehlt die konsequente Bissigkeit, die Liederabende von Franz Wittenbrink haben. Trotzdem ist sie mitreißend. Am Ende gibt es deshalb auch "ein bisschen Frieden" - und ganz viel Applaus. 2 Stunden 15 Minuten, eine Pause, bis 11. Oktober, Karten: Telefon 0211/322333 Wertung Regie: nnnnn Bühne: nnnnn Ensemble: nnnnn

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