Ein Diener der Schönheit

Schillernd und provokant: Der Belgier Jan Fabre kommt mit seiner jüngsten Performance nach Düsseldorf.

Düsseldorf/ Antwerpen. Der Clown, der Engel und der Puppenspieler haben eines gemeinsam: Sie möchten eine andere Gestalt anzunehmen. Die Sehnsucht nach Verwandlung treibt Jan Fabre seit gut 30 Jahren um. Der flämische Theatermacher, Performancekünstler, Opernregisseur und Choreograf neigt zum Größenwahn - sein Vorbild ist Wagner -, seine Werke sind opulent.

Seine jüngste Performance aus Sprache, Tanz und Musik wurde zu einer Trilogie, die er für den belgischen Schauspieler Dirk Roofthooft geschrieben hat. Nach der Uraufführung des letzten Teils in seiner Heimatstadt Antwerpen ist die Trilogie jetzt erstmals in ihrer Gesamtheit am Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben.

Das Streben nach Schönheit und Vollkommenheit ist für Fabre eine Frage der künstlerischen Existenz. In "Der Kaiser der Verluste" (von 1996) macht sich ein Clown auf die Suche nach dem Erhabenen. Am Ende wird er über sich hinauswachsen: Ihm wachsen Flügel, und er wird zum Engel. "Der König des Plagiats" (von 2005) ist bereits Engel und doch nicht glücklich. Er möchte lieber Mensch sein mit all seinen Fehlern und seiner Zerrissenheit.

Auch "Der Diener der Schönheit" (von März 2010), ein Puppenspieler namens Jean Potage, möchte aus seiner Haut heraus. Bei ihm ist das Theater die Parodie der Welt, die Marionette eine Parodie des Schauspielers, das Gehirn eine Parodie des Blumenkohls. Er geht bis zum Äußersten, um das Wesen der Schönheit zu ergründen: Er verlässt seinen Körper, um nur als Augenpaar zu existieren.

Es ist das Nicht-Fassbare, das eine Faszination auf Fabre ausübt: die Schönheit, der Tod. Wie stellt man sie dar? Wie die Grenzen des Körpers überwinden? Was entsteht nach dem Sterben? Solche Fragen bestimmen das Werk des 51-jährigen Kunst-Provokateurs. Sein Symbol dafür ist der Schmetterling. Er flatterte etwa als zentrale Figur bei den Ruhrfestspielen 2007 durch "Requiem für eine Metamorphose".

Für Fabre ist der Falter auch Geheimnisträger der Verwandlung, Symbol der fragilen Künstlernatur, Sinnbild für Wiederauferstehung. Insekten, vor allem geflügelt und gepanzert, haben es dem Schaufensterdekorateur und Absolventen der Königlichen Kunstakademie Antwerpen angetan. Mit 1,4 Millionen smaragd-grünen Panzern von thailändischen Juwelenkäfern gestaltete der Tausendsassa mit Hang zum Überdimensionalen 2002 die Decke im Spiegelsaal des königlichen Palastes in Brüssel. Im Louvre stellte er 2006 tote Käfer und Plastikwürmer aus.

Jan Fabre experimentierte schon als Kind mit Insekten: Er steckte Maden Flügel an. Da kommt er ganz nach seinem Urgroßvater Jean-Henri Fabre: Der war Insektenforscher. Von Kindesbeinen an hat ihn auch der Tod begleitet: Sein Bruder Emile starb vor Jans Geburt. Dessen Bild hatte im katholischen Elternhaus einen Ehrenplatz, so war er allgegenwärtig.

Fabre selbst lag zweimal im Koma: Mit 18 Jahren nach einer Prügelei, mit 23 nach einem Tauchunfall. Die Berührung mit dem Tod, das Wandeln zwischen Diesseits und Jenseits, wurden so zu seinem Lebensthema. Ersten Weltruhm erlangte der Belgier mit einer ganz profanen Aktion: Er schraffierte mit billigen Kugelschreibern. Sein erstes Opus war ein Schuhkarton, den der Schüler mit dichten Kuli-Strichen komplett blau einfärbte. Noch heute hält er das Frühwerk in Ehren.

Jan Fabre ist der seltene Fall eines genuinen Gesamtkünstlers. Für ihn ist der ideale Schauspieler ein "Krieger der Schönheit". So wie der Clown, der Engel und der Puppenspieler.

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