Deutschland als Einbauküche

Die Bundesrepublik hat den Engländer Liam Gillick nach Venedig eingeladen. Sein Beitrag ist umstritten.

Venedig. Der deutsche Pavillon ist traditionsgemäß die Herausforderung an jeden Künstler: Er wurde 1937 von den Nazis zum monumentalen Kunsttempel ausgebaut. 1940 zeigte dort der regime-hörige Arno Breker seine Skulpturen.

Nach dem Krieg arbeiteten Künstler gegen das Ambiente an. Gerhard Richter hängte 1972 Porträts von Geistesgrößen wie Franz Kafka auf, Joseph Beuys errichtete 1976 mit seiner Straßenbahnhaltestelle eine Art Antikriegsdenkmal, Hans Haacke zerschlug 1993 den Boden, und Gregor Schneider baute 2001 den Alptraum seines Rheydter Wohnhauses in die Mauern ein.

Liam Gillick aus England, der in diesem Jahr den deutschen Pavillon in Venedig gestaltet hat, verstellt alle Räume mit einer monströsen Küche aus Tannenholz. Sie ist plump, raumfressend, aufgeblasen und zu nichts nutze. Dort wurde noch nicht einmal ein Vernissage-Essen gekocht.

Diese Unmöglichkeit einer Installation wird vom Künstler recht prosaisch erklärt. Sie sei eben im Gegensatz zur "Erhabenheit des Ortes" zu sehen, der ohne Küche auskomme. Der einzige Witz dieser architektonischen Innenraumgestaltung liegt in einer Katze, die auf einem Möbelstück sitzt, elektronisch gesteuert wird und gegen das Echo des Raumes spricht.

Das heißt, man versteht die Computer-Stimme nicht. Drei beflissene Wächter reichen bei Bedarf ein Heft, wo der postmoderne Schnickschnack schwarz auf weiß beschrieben wird. Wer damit noch nicht genug hat, kann sich auch eines von 25 Alu-Modellen zu 5.000 Euro kaufen.

Anders Bruce Nauman, eine der Leitfiguren Amerikas im letzten Jahrhundert. Der Träger des großen Düsseldorfer Kunstpreises erklärt den Besuchern in einer Neonarbeit von 1967: "Der wahre Künstler hilft der Welt, die mystischen Wahrheiten zu enthüllen." Seine Werke brauchen keinen Waschzettel, in dem der sozialpolitische Überbau erklärt wird.

Er konzentriert sich in seinem Beitrag vorwiegend auf seine frühen, unangreifbaren, fleisch-farbenen Köpfe aus Wachs. Sie lehnen in einer Wandecke und strecken der Wand die Zunge heraus, eine sinnlose Art, gegen Grenzen anzurennen. Sie besetzen den Raum, innig, aber auch hilflos ineinander verzahnt. Polyurethan-Tiere hängen an einem primitiven Karussell und kreisen wie Mobiles durch den Raum. Arme Wesen, die noch nicht Gestalt geworden sind.

Grandios ist auch der russische Nachbar. Andrei Molodkin setzt sich recht kühn und zugleich optisch brillant mit der Gegenwart der Sieger und Opfer auseinander. Am Beispiel des Konflikts zwischen Tschetschenien und Russland zeigt er, was die Welt bestimmt: die ewige Sucht nach Macht und die Suche nach Öl.

Transparente Acrylfiguren, Nachbildungen der Venus von Samotrake aus dem Louvre, sind mit roter und goldener Flüssigkeit aus Fässern und Blutkonserven gefüllt. Die Flüssigkeit wird eingepumpt und abgesaugt.

Man fühlt sich in den Geräuschen und den Apparaten an kleine Industrie-Anlagen und Blutbanken erinnert. Die Flüssigkeit steigt in den durchsichtigen Körpern der Venus-Figuren auf. Die Gestalten werden angestrahlt und erscheinen als farbenfrohe, barocke Größen an der Wand.

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