Der „Kirschgarten“ ohne Kirschen

Berlin (dpa) - Tschechows „Kirschgarten“ steht an deutschen Bühnen oft auf dem Spielplan. In den Berliner Sophiensälen sorgt eine Inszenierung mit Top-Besetzung für ein volles Haus.

Mauern stürzen mit großem Getöse ein, ein Beutel Heringe platscht auf die Bühne, eine Nackte huscht über die Bühne. In der Inszenierung von „Der Kirschgarten“, die am Freitagabend ihre Premiere in den Berliner Sophiensälen feierte, gibt es einige typische Momente zeitgenössischen Theaters. Vor allem aber gute Schauspieler.

Das Regieduo Thorsten Lensing und Jan Hein bringt nach „Onkel Wanja“ (2008) wieder ein Stück von Anton Tschechow mit einer Top-Besetzung auf die Bühne. Mit dabei: Devid Striesow, Peter Kurth, Joachim Król und Lars Rudolph.

Als die Zuschauer in den Saal kommen, baut das Ensemble eine Mauer auf und verlegt donnernd Planken auf dem Boden. Ein Kirschgarten ist nicht zu sehen, vom russischen Gutshaus nur große Ziegelsteine und karge Büromöbel. Der einfahrende Zug wird mit einem quietschenden Schrubber dargestellt, das Publikum kichert.

Die Schauspieler dürfen ihre Rollen in der modern, aber nicht zu überdreht erzählten Tragikomödie aus dem Jahr 1904 richtig auskitzeln. So wie die Schweizerin Ursina Lardi („Das weiße Band“) als heimkehrende Gutsbesitzerin Ljuba, ein Vamp im roten Minikleid. Oder Striesow als windiger Kaufmann Lopachin, der das hochverschuldete Gut mit dem Kirschgarten schließlich kauft. Auch der geschwätzige Onkel (Peter Kurth) und das derangierte Dienstmädchen (Maria Hofstätter aus „Hundstage“) wachsen dem Zuschauer ans Herz.

Nach der Pause zieht sich die über drei Stunden lange Inszenierung etwas. Am Ende ist das Publikum angetan und trampelt mit den Füßen. Für die Sophiensäle, eines der wichtigsten Off-Theater Berlins, ist es ein schöner Start nach der Sanierungspause. Patina und bröckelnder Putz sind geblieben - eine passende Kulisse für Tschechows Stück über den Abschied von alten Zeiten.

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