„Der Freischütz“: Operndebüt für Horwitz

Erfurt (dpa) - Ein lebender Gänsegeier als Totengott, gnom-ähnliche Gestalten, kein grüner Wald: In nur eindreiviertel Stunden erzählt der Schauspieler und Sänger Dominique Horwitz bei seinem Debüt als Opernregisseur die Geschichte des „Freischütz“ von Carl Maria von Weber.

Von der scheinbaren Idylle in der ersten deutschen Nationaloper bleibt nicht viel. Ungereimtheiten in Libretto und Musik mildert der 54-Jährige durch eine neue Chronologie der Ereignisse ab. Das berühmte „Viktoria“ ertönt nicht am Anfang, sondern mitten in der Aufführung. Die Lieder und Arien, die seit der Uraufführung 1821 fast zu Volksliedern geworden sind - etwa „Wir winden dir den Jungfernkranz“ oder „Durch die Wälder, durch die Auen“ - betören wie eh und je.

Solisten, Chorsänger und das Philharmonische Orchester unter Leitung von Walter Gugerbauer begeisterten mit ihrem Können das Premierenpublikum in der ausverkauften Erfurter Oper. Doch beim Erscheinen von Horwitz mischten sich in den Beifall Buhrufe.

Was vielen im Publikum zu missfallen schien, waren die Kostüme (Ausstattung Hank Irwin Kittel). Hinkend, mit „Auswüchsen“ an Gliedmaßen und Körpern, in einem undefinierbaren Schwarz-Grau, mit sonderbaren Hüten und Mützen, die mal an Pelz, mal an Kreationen aus Pappmaché erinnerten, bevölkerten die Solisten und Chorsänger das abstrakte Bühnenbild mit übereinandergestapelten Stein- und Felsbrocken.

Von der Masse heben sich der Jäger Max (Andreas Schager), seine Braut Agathe (Kelly God) oder der Eremit (Vazgen Ghazaryan) ab: Grüner Jägerrock, rot-weißes Kleid oder bis auf den Boden reichendes weißes Haar und Bart sind ihre Erkennungszeichen. Und über allen ein lebendiger Gänsegeier als Totengott.

In den Mittelpunkt stellt Howitz den Erfolgsdruck des glücklosen Jägers Max, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um seine Braut Agathe und die Erbförsterei zu bekommen. Er muss einen Probeschuss abgeben. Was Max nicht weiß: Die siebte Freikugel soll Agathe treffen. „Seine Seele zu verkaufen ist ein Menschheitsthema. Als Weimarer ist mir das Faustische gegenwärtig“, sagte Horwitz.

Beim Gießen der Freikugeln in der Höllenschlucht ziehen Horwitz und Ausstatter Kittel alle Register der Bühnentechnik: Die Felsenlandschaft wird nach oben gehoben, eine zweite Ebene mit mächtigen Baumstümpfen, Nebelschwaden, Echo und Widerhall tut sich auf. Auf den Stämmen bewegen sich Fabelwesen.

Theaterintendant Guy Montavon hat den in Paris geborenen Horwitz mit der Regie betraut, weil er einen unverstellten Blick auf den „Freischütz“ haben wollte. Die Arbeit vereine alles, was er in den vergangenen Jahren gemacht habe: die Arbeit mit kleineren, musikalischen Formationen wie mit größeren Orchestern, Singen, Theater spielen, Theater inszenieren, hatte Horwitz im Vorfeld gesagt.

Mit dem „Freischütz“-Thema hat er Erfahrung. Am Hamburger Thalia Theater begeisterte Horwitz 1990 als verführerischer, hinkender Teufel in dem Kult-Musical „The Black Rider“, das US-Regisseur Robert Wilson gemeinsam mit dem Autor William S. Burroughs und dem Musiker Tom Waits nach der Vorlage der Weber-Oper geschrieben hat.

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