Der Fall Jürgen Schneider auf der Bühne

Stuttgart (dpa) - Am Ende ist Jürgen Schneider „zutiefst gerührt“. „Er hat es geschafft, so wie es ist, in drei Stunden auf die Bühne zu bringen“, sagt der 79-Jährige fast etwas erstaunt.

Gut 16 Jahre nach dem Prozessbeginn gegen den einstigen Baulöwen aus Frankfurt hat Regisseur Christof Küster Schneiders Fall in „Doktor Utz oder die wundersame Läuterung des Jürgen Schneider“ mit dem Theaterprojekt „Stuttgart 22“ inszeniert. Nach der Premiere im Theaterhaus am Mittwochabend spendete das Publikum minutenlang Applaus. „Es hat sich ganz genau so abgespielt“, sagt Schneider, als er nach dem Stück vor die Bühne tritt. „Ein Kunstwerk.“

Sein Fall ging in den 90er Jahren als einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse in die Geschichte ein. Mehr als 5,5 Milliarden D-Mark (2,8 Mrd Euro) hatte sich Schneider mit teils erfundenen Projekt-Unterlagen zusammengepumpt und in spektakuläre Altbau-Sanierungen gesteckt. Die Gläubiger blieben am Ende auf Forderungen von rund 2,4 Milliarden D-Mark (1,23 Mrd. Euro) sitzen. Der damalige Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper prägte damals das Unwort „Peanuts“ (Erdnüsse) für unbezahlte Handwerkerrechnungen in einer Höhe von 50 Millionen Mark (25,6 Mio Euro). Nach seiner Flucht wurde Schneider 1995 in Miami gestellt und 1997 zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

Das Stück hat fast den Charakter einer Dokumentation, Schneiders strenger Vater kommt ebenso vor wie die innige Beziehung zu seiner Frau. Die dreistündige Inszenierung beruht zu großen Teilen auf Originalmaterial: Schneiders Biografie, Protokolle aus dem Gericht. Etwa anderthalb Stunden lang hat Küster ihn im Frühjahr mit einer Kamera interviewt, die Passagen werden immer wieder eingeblendet. Mehr hat Schneider selbst nicht zu dem Stück beigetragen.

Die zentrale Frage der Reihe, in der das Stück läuft, ist: „Wann ist man glücklich?“. Eine Entlarvung der Banker sei nicht so sehr sein Plan gewesen, sagt Küster, auch wenn die Darstellung der Bank-Manager einen großen Part einnimmt. Die Läuterung von Jürgen Schneider findet vor allem im zweiten Teil statt, als er während seiner Flucht im Ausland wieder Nähe zu seiner Frau findet. „Ich bin ein glücklicher Mensch heute“, sagt er in einer der Videopassagen.

Sein größter Wunsch, sagt der Ex-Baulöwe in der Theaterpause, ist ihm inzwischen erfüllt worden. „Ich will in dieser Gesellschaft leben“, sagt er. „Da muss man sich rechtfertigen, wenn man Mist gebaut hat.“ Schneider steht zu seinem Fehler, auch wenn er sagt, damals hätten zwei dazu gehört. Er hat inzwischen seinen Frieden gemacht. „Ob ich gut wegkomme in dem Stück oder nicht, ist wurscht“, sagt er - und gibt dann doch zu: „Wenn grober Unfug daraus enstanden wäre, hätte ich mich gewehrt.“

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