Demütigung einer Schriftstellerin

Solo-Abend Hanna Schygulla spielt ein Stück über Marieluise Fleißer.

Recklinghausen. Das Leben der Schriftstellerin Marieluise Fleißer glich einem Spießrutenlauf. So groß ihr Erfolg in den 20er Jahren mit Volksstücken wie "Fegefeuer in Ingolstadt" und "Pioniere in Ingolstadt" sein mochte, es waren die Männer, der Literaturbetrieb, die Familie, die ihr letztlich die Anerkennung versagten. Ein Leben der Demütigung und des Verzichts, der zum Rückzug führte und erst mit der Wiederentdeckung in den 60er Jahren kompensiert wurde.

Bei den Ruhrfestspielen kam jetzt Kerstin Spechts Monolog "Marieluise. Ein Bericht" heraus. Ein Extrakt eines größeren Mehrpersonenstücks zu Leben und Leiden der Autorin, der von Filmstar Hanna Schygulla als Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Luxembourg auf dem grünen Hügel in Recklinghausen interpretiert wurde.

Doch trotz der Aura der Leinwanddiva wurde es ein Abend hart am Rande des Kunstgewerblichen. Auf der Bühne (Ausstattung: Hanna Kraft) hängen drei weiße Papiersegel, die als Bett, als Schreibunterlage, als Dachschräge oder als ein Schattenspiel für die Kindheits-Erinnerung dienen. Mit ruhiger Stimme instrumentiert Hanna Schygulla in schwarzem Samtrock und schwarzer Jacke die provinzielle Monotonie, der die Fleißer nur durch das Schreiben entrinnt: "Es ist Magie." Mädchenhafte Freude klingt an bei der Begegnung mit einem Soldaten im Internat, beängstigendes Glück über die Selbstständigkeit in der Münchner Studentenbude, Faszination und Hingabe bei der ersten Begegnung mit Brecht, die schließlich zum Trauma wird: "Der Brecht lässt mich nie wieder los".

Auch wenn die Mikroportanlage zu laut ausgesteuert ist, beeindruckt Schygullas Stimme, gerade weil sie Spechts Monolog mit den Mitteln des Sprechgesangs interpretiert. Die musikalische Unterlage dazu liefert Stéphan Oliva am Klavier, der einen Musikteppich aus Schlagern, Märschen, oder Folkloristischem auslegt.

Was sich allerdings Regisseurin Alicia Bustamante an Bühnenaktionen dazu ausgedacht hat, kommt über illusionistischen Kitsch nicht hinaus: Wenn die Fleißer putzt, deutet Schygulla ein Wischen an; wenn’s kalt in der Bude ist, wird gezittert; Manuskript überreichen, heißt mit einem Stapel Blätter hantieren. Nichtsdestotrotz, wie die Schauspielerin den gelegentlichen Sarkasmus der Fleißer, die Erschöpfung, die Begeisterungsfähigkeit bis zum missglückenden Selbstmordversuch in der Donau spielt - das lässt zumindest ahnen, was an diesem Abend möglich gewesen wäre.

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