Chorknaben und fette Bläser

Moers bleibt das Zentrum der improvisierten Musik. Das zeigte auch die 41. Auflage des Festivals.

Moers. Was für eine Spannweite: Vom Solo-Künstler bis zu Big Bands reichten die Formationen beim 41. Moers-Festival. Dabei waren besinnliche Töne nicht zwangsläufig das Vorrecht der kleineren Besetzungen. Zum Beispiel die „DNA Big Band“ des Saxofonisten Andrew N D’Angelo: Die 13 New Yorker glänzten nicht nur mit einem energisch-explosiven Sound mit fetten Bläsersätzen und einem Schlagzeuger, der vor allem die Belastbarkeitsgrenze seines Instruments testete, sondern auch mit Passagen, in denen die Musiker zu Sängern wurden und wie Chorknaben klangen.

Ebenfalls hervorzuheben: „The Dorf“. Im vergangenen Jahr zählte die Big Band aus der Region, zu denen auch der Grefrather Trompeter Markus Türk gehört, zu den Publikumslieblingen beim Festival für improvisierte Musik in Moers. Diesmal gab es von der 30-köpfigen Gruppe zur Eröffnung eine musikalische Hommage an den im Januar verstorbenen Musiker Frank Köllges, der auf der Leinwand lebendig zu werden schien.

Den meisten Applaus gab es wohl für eine Aufführung, die fast den Rahmen der großzügig dimensionierten Bühne im Zirkus-Zelt im Freizeitpark sprengte — und nichts mit improvisierter Musik zu tun hatte: Carla Bleys Komposition „La Lecon Francaise“. Das Werk, in Szene gesetzt von der schwedischen „Bohuslän Big Band“ und 37 jungen Sängern der Dortmunder Chor-Akademie, war wie ein wunderbarer Film im Breitband-Format. „Nicht innovativ, aber wahnsinnig schön“, brachte es ein begeisterter Zuhörer auf den Punkt.

Der Mann traut sich was: Bei herrlichem Sonnenschein, wolkenlosem Himmel und gefühlten 25 Grad im Schatten stellte der künstlerische Leiter Reiner Michalke am Sonntagnachmittag den Cellisten Erik Friedlander im ausverkauften 2500-Personen-Zelt auf die Bühne. Und es funktionierte. Andächtig lauschten die Zuhörer den leichtfüßigen Melodien, die oft mehr nach spanischer Barock-Gitarre, als nach Cello klangen. Dazu wurden Filme und Bilder von Friedlanders Vater Lee gezeigt, die in den 1960- und 1970er-Jahren bei Reisen quer durch die USA entstanden sind. Reichlich Applaus beendete diese (be)sinnliche Reise für Auge und Ohr.

Reichlich Applaus gab es auch für den letzten Auftritt am Samstagabend — obwohl auf diesem der Fluch der Weltpremiere lastete. Programm-Macher sind bei der Suche nach dem „Noch nie Dagewesenen“ immer mal wieder verführt, große Namen zusammen auf die Bühne zu stellen, die noch nie zusammen gespielt haben. Und das klappt nicht immer — so wie bei Joe Bowie und James „Blood“ Ulmer.

Bowies „Defunkt n’EU Soul“ eröffnete den Auftritt auf bekannte Weise: mit seinem tanzbaren Soul, den der Chef als Posaunist, Sänger und Bühnen-Derwisch prägte. Doch als nach dem vierten oder fünften Song der Gaststar auf die Bühne kam, wurde es ein Blues-Abend a la Ulmer. Erst nach dem Abschied des 72-jährigen Gitarristen und Sängers nahm das Konzert wieder mächtig an Fahrt auf. Doch es blieb der Eindruck zurück, dass Bowie und Ulmer nicht wirklich die selbe musikalische Sprache sprechen.

Doch das erfolgreiche Konzept des 41. Moers-Festivals schmälerte das nicht: Zu zeigen, was für eine wunderbare Spannweite der Jazz und die improvisierte Musik zu bieten haben.

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