Börsenthriller über Geld und Gier

Das Düsseldorfer Schauspielhaus startet in die neue Spielzeit.

Düsseldorf. Aufregung im Foyer: Börsianer sind ins Theater eingezogen und schreien fuchtelnd gegeneinander. "Das ist der Aufschwung" rufen die Optimisten. "Das ist der Anfang vom Ende" hält ein Pessimist dagegen, während ein eleganter Herr im Frack für die Abschaffung des Kapitalismus plädiert.

Seine marxistischen Utopien wirkten allerdings weit historischer als das Börsenchaos. Mit "Das Geld" eröffnete das Düsseldorfer Schauspielhaus am Samstag die neue Saison.

Émile Zola schrieb den Roman um 1890 und spielte dabei auf reale Vorfälle an der Pariser Börse an. Sein Held ist der Spekulant Aristide Saccard, der mit seiner "Universalbank" die "friedliche Eroberung des Orients" betreiben will.

Vorerst sind die Eisenbahnlinien durch die Türkei und der Abbau von Silber im Libanon noch Gedankenspiele. Abenteuerlich sind auch die Konstruktionen, mit denen er seiner Bank die ersten 25 Millionen beschafft, aber erstaunlicherweise geht es eine ganze Weile lang gut.

Tina Lanik inszeniert dieses Lehrstück des Kapitalismus, das im Laufe des Abends zum Thriller wird, mit großen Emotionen (und vielen Projektionen) und einer effektvollen Ausstattung (Ricarda Beilharz), die bewusst die Nähe zum Casino herstellt: Die Drehbühne rotiert als Roulette, ein Vorhang aus Lametta glitzert wie die Hoffnungen selbst, eine steile Treppe steht für den pompösen Eingang zur Bank - und für Aufstieg und Fall.

Der zu Recht bejubelte Michele Cuciuffo trägt den Abend und zeigt Saccard nuancenreich als einen Menschen, der mit Herz und Nieren in seinem Projekt aufgeht. Für die Hamelins, die ihm begeistert von den Schätzen im Nahen Osten erzählen, ist er der gönnerhafte Zauberer, der ihre Träume zu verwirklichen verspricht.

Rasch erliegt Caroline (Anna Kubin) seiner Faszination, erst später wird sie von Zweifeln gequält. Als erfolgloser Bittsteller beim Großbankier Gundermann wirkt Saccard ganz klein.

Doch Saccard spekuliert erfolgreich, und die Kurse der Universalbank steigen. Die Medien stehen auf seiner Seite, denn er bezahlt die Börsenreporterin Jantrou (Esther Hausmann) für ihre PR-Dienste. Als Saccard sich schließlich als Gott der Börse fühlt, ist der Absturz nahe. Schon schleicht die "Méchain" um ihn herum, die nach den Pleiten jeweils die faulen Papiere zum Kilopreis aufkauft. Marianne Hoika kommt im rosa Tüll wie eine böse Fee daher und reißt den Mund auf zum höhnischen Gelächter.

Dramatisiert hat "Das Geld" John von Düffel, von dem auch die Bühnenfassungen von Thomas Manns "Buddenbrooks" und "Joseph und seine Brüder" stammen. Die Handlung ist weitgehend erhalten, es fehlt aber eine wichtige Dimension: Die kleinen Leute, die ihr Erspartes einsetzen, wie die verarmten Adligen, die sich nur noch von Kartoffeln ernähren oder die Bediensteten, denen das Geld für eine Heirat fehlt.

Auch sie erliegen der Gier und werden mit in den Abgrund gerissen. Aber ihnen hätte man mehr Mitgefühl entgegengebracht als den abgebrühten Spielern in diesem Casino. Sogar der naive Ingenieur Hamelin (Götz Schulte) wird am Ende zynisch. Er lässt Saccard fallen und sieht sich nach anderen Investoren um. Das Börsenspiel geht weiter.

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