Bibel-Marathon auf der Bühne

Der Kölner Intendant zeigt die Genesis in knapp sechs Stunden — ohne ein Wort zu streichen.

Köln. Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Doch bevor er das im Kölner Schauspiel tut, stellt sich Intendant Stefan Bachmann vor sein Publikum. Er kündigt an, was in den folgenden knapp sechs Stunden zu erleben sein wird:

Die ersten fünf Bücher Moses, von der Erschaffung der Welt bis zu Josef, den seine Brüder als Sklaven nach Ägypten verkaufen.

„Wir dichten nichts hinzu, wir lassen aber auch nichts weg“, sagt Bachmann. Und schließt mit: „Ich hoffe, dass wir das Ziel gemeinsam erreichen.“

Nicht alle Zuschauer erfüllen dem neuen Theaterchef in Köln diesen Wunsch. Doch die, die bleiben, jubeln am Schluss des Marathons. Entlang der ebenso bekannten wie packenden Geschichten, wie denen von Kain und Abel, Noah und der Arche, Jakob und Esau, spannt Bachmann seinen beeindruckenden Bilder- und Schauspielbogen.

Von reduziertem Rezitieren reicht dieser über karnevalistische Komik bis zu satirisch angehauchtem Spaghetti-Western-Auftritt. Bachmann bietet viel Sinnliches, eines Kommentars enthält er sich. Hier wird gezeigt, nicht interpretiert. Das ist bei der Kraft, die Wort, Bild und Spiel zusammen entwickeln, ein großartiges Konzept.

Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Es ist der Schauspieler Michael Neuenschwander, der in schwarzer Lederkluft, mit Hut und schweren Schritten den meterhohen Sandberg umrundet. Er setzt sich und beginnt zu erzählen. Die Geschichte aller Geschichten.

Sein Vortrag erfüllt die Fabrikhalle, in der das Schauspiel für zwei Jahre beheimatet ist, völlig. Die Bilder entstehen im Kopf: der Garten Eden mit dem Baum der Erkenntnis, der Anfang von Gut und Böse.

Als er zu Noah und seiner Arche kommt, setzt Neuenschwander ein Papierschiffchen in eine kleine Sandkuhle und gießt Wasser aus einer Plastikflasche dazu. Ein anrührender Moment.

Sarah und Abraham, Ismael und Isaak - es kommen weitere Figuren zum Berg, die einzige Kulisse des Abends. Er zeigt sich durch überraschende Projektionen mal als wogendes Getreidefeld in Ägypten, mal als erträumte Treppe zu Gott.

Mit überzeugender Leichtigkeit illustriert Bachmann das Geschehen anfangs mit Papp-Requisiten. Dann nimmt sich das Schauspiel mit überraschenden Regie-Einfällen mehr und mehr Raum. Bachmann beweist Respekt vor dem Text, ohne in Ehrfurcht zu erstarren. Eine Produktion, mit der er seine virtuose Theatersprache vorstellt. Ein Stück, das einen vielversprechenden Anfang markiert.

Bewertung

Regie: 4 von 5 Sterne

Schauspiel: 4 von 5 Sterne

Bühne: 4 von 5 Sterne

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