Berlinale: Weltpremiere ohne Polanski

Mit „DerGhostwriter“ kehrt der Regisseur ins Thriller-Fach zurück. Doch er steht in der Schweiz unter Arrest.

Der Stargast fehlte, die Weltpremiere seines neuesten Films musste am Freitag auf der Berlinale ohne Roman Polanski stattfinden. Im September 2009 hatten Schweizer Polizeibeamte den Meisterregisseur auf dem Züricher Flughafen festgenommen, im November wurde seine Haft in einen Hausarrest mit elektronischen Fußfesseln umgewandelt. Nun wartet Polanski, wie die Schweizer Justiz über das Auslieferungsbegehren der USA entscheiden wird, wo er für die Vergewaltigung einer 13-Jährigen im Jahr 1979 zur Rechenschaft gezogen werden soll.

Vieles an Polanskis 18. Regiearbeit erinnert an die Situation, in der der 76-Jährige sich befand, bevor er inhaftiert wurde. Er musste sich gut überlegen, wohin er reiste, damit er nicht vor Gericht landet. Adam Lang, den ehemaligen britischen Premierminister, den Pierce Brosnan in "Der Ghostwriter" spielt, plagen ähnliche Probleme. Weil er während seiner Amtszeit den Befehl gegeben haben soll, britische Staatsbürger nach Guantanamo bringen zu lassen, will der Internationale Strafgerichtshof ihm den Prozess machen. Solange der Haftbefehl besteht, kann er sich nur in Ländern aufhalten, die die Rechtsgewalt von Den Haag nicht anerkennen. Iran und Nordkorea stünden zur Auswahl. Und eben die USA.

Die weltpolitische Affäre steht allerdings nicht im Mittelpunkt von "Der Ghostwriter". Zentrum des Films ist ein unbedarfter Auftragsautor (Ewan McGregor, "Illuminati"), der Langs Memoiren zu Ende schreiben soll. Sein Vorgänger, ein Vertrauter des Ex-Premiers, ist vor der Küste von Martha’s Vineyard ertrunken. Dass es sich dabei um keinen Unfall handelte, kriegt der Ghostwriter, dessen Name standesgemäß nie erwähnt wird, zufällig heraus.

Nach eher geschichtlichen Projekten ("Der Pianist", "Oliver Twist") kehrt Polanski mit diesem pointiert geschriebenen Stoff ins Thriller-Fach zurück, und tatsächlich erinnert einiges an sein Meisterwerk "Chinatown" von 1974. Virtuos baut er aus unverfänglichen Situationen eine beklemmende Paranoia-Stimmung auf, die McGregors Charakter immer hilfloser durchstolpert. Der Schotte ist eine Idealbesetzung. Mit jungenhaftem Charme spielt er den verkannten Künstler, dem es nicht peinlich ist, offen zuzugeben, sich nicht für Politik zu interessieren. Diese Ignoranz lässt ihn dort immer tiefer stochern, wo ein informierter Mensch bereits längst den Rückzug angetreten hätte.

Auf der gestrigen Pressekonferenz bedauerte Robert Benmussa, einer der Produzenten, dass Polanski nicht persönlich zur Berlinale kommen konnte. Die rechtliche Situation wollte er allerdings nicht bewerten. Selbst Drehbuchautor Robert Harris ("Vaterland"), der auch die Vorlage ("Ghost") 2007 geschrieben hatte und ein persönlicher Freund Polanskis ist, ließ sich zu keinem Kommentar hinreißen. Stattdessen ging er genüsslich darauf ein, dass es natürlich Tony Blair sei, den er als Vorbild für den Politiker im Sinn hatte. Glücklicherweise hat Brosnan sein Spiel nicht am realen Vorbild angelehnt. Stattdessen gibt er Adam Lang als staatstragenden Schönling, der, sobald die Kameras aus sind, launisch austeilt und einen Hang zur Gossensprache pflegt.

Die Reaktion auf Polanskis künstlerische Rückkehr in Abwesenheit wurde mit lang anhaltendem Applaus bedacht.

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