„Bemerkenswert“: Berliner Theatertreffen wird 50

Berlin (dpa) - Ohne Streit und Empörung ist in den vergangenen 50 Jahren selten ein Berliner Theatertreffen über die Bühne gegangen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr ist es nun allerdings auffällig ruhig.

Das mag daran liegen, dass das Theatertreffen deutschsprachiger Bühnen dieses Mal auf den ersten Blick nur wenig Kontroverses bietet, sondern vor allem die gefeierten Highlights der Stadt- und Staatstheater zeigt. Am Freitag (3.5.) eröffnet das Schauspiel Frankfurt mit Michael Thalheimers „Medea“-Inszenierung und der furiosen Eysoldt-Ring-Preisträgerin Constanze Becker in der Titelrolle das Theatertreffen - der Beifall ist ihnen gewiss.

Bis zum 20. Mai sind bei dem Festival wieder die zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen der Saison zu sehen. Und genau an der luftigen Beschreibung „bemerkenswert“ erregen sich regelmäßig die Gemüter. Die Jury aus Theaterkritikern wurde oft beschimpft, ihre Auswahl angegriffen. Claus Peymann - der genauso wie Peter Stein in den vergangenen Jahrzehnten immerhin 17 Theatertreffen-Einladungen erhielt und damit auf Platz Zwei der am häufigsten eingeladenen Regisseure landet - veranstaltete schon ein „Gegen-Theatertreffen“ und forderte die Abschaffung des Festivals.

Es sind eben nicht die zehn besten, sondern die zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen. Dazu gehörte im vergangenen Jahr nach Jury-Ansicht zum Beispiel der umstrittene 12-stündige Ibsen-Abend der deutsch-norwegischen Theatermacher Vegard Vinge, Ida Müller und Trond Reinholdsten, bei der der Hauptdarsteller sich selbst in den Mund pinkelte und seine Exkremente auf dem Körper herumschmierte.

Kritik an den Theatertreffen-Inszenierungen gibt es immer. „Aber das macht das Theatertreffen natürlich noch interessanter und spricht für seine Wichtigkeit“, so Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer im Interview der Nachrichtenagentur dpa. „Bemerkenswert ist für mich zunächst mal eine herausragende künstlerische Leistung. Das kann eine schauspielerische Leistung sein, ein Gesamtkonzept etc..“

Dazu gehöre in diesem Jahr die Produktion „Disabled Theater“, bei der Choreograf Jérome Bel mit Künstlern arbeitet, die das Down-Syndrom oder eine Lernschwäche haben. „Bei dieser Inszenierung wird der Zuschauer mit Fragen konfrontiert, die ihn neu auf Theater blicken oder anders über das Thema Behinderung nachdenken lassen.“

Sehr speziell und faszinierend ist auch Herbert Fritschs an der Berliner Volksbühne entstandene Inszenierung „Murmel Murmel“, die ausschließlich mit dem Wort „Murmel“ bestritten wird. Je zweimal sind die Münchner Kammerspiele („Orpheus steigt herab“, „Die Straße. Die Stadt. Der Überfall“) und das Schauspiel Köln („Die Ratten“, „Reise durch die Nacht“) vertreten. Neben „Disabled Theater“ (Theater Hora, Zürich) kommt auch „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ (Schauspielhaus Zürich) aus der Schweiz. Dabei sind außerdem das Thalia Theater Hamburg („Jeder stirbt für sich allein“) sowie das Schauspiel Leipzig und die Ruhrfestspiele Recklinghausen („Krieg und Frieden“).

Für die Regisseure und Schauspieler bedeutet eine Theatertreffen-Einladung nicht nur Ehre, sondern auch eine Beschleunigung der Karriere. Eine Festivalnominierung könne aber auch auf politischer Ebene wirken, sagt Büdenhölzer. „Wenn das Schauspiel Köln zum Beispiel nicht so erfolgreich beim Theatertreffen gewesen wäre, als das Haus von Sparmaßnahmen bedroht war, dann wären die Kürzungen vermutlich drastischer ausgefallen.“

Die Bestenliste der am häufigsten eingeladenen Bühnen führt das Burgtheater Wien mit 45 Einladungen an. Es folgen die Münchner Kammerspiele mit 43 und die Berliner Schaubühne mit 36 Einladungen. Bei den Regisseuren ist Peter Zadek (1926-2009) mit 21 Einladungen der ungekrönte König. Unschlagbar an der Spitze der am häufigsten beim Theatertreffen gespielten Autoren liegt Shakespeare, gefolgt von Tschechow und Ibsen. Die meistgespielten zeitgenössischen Autoren sind Botho Strauß, Elfriede Jelinek, Christoph Marthaler und Peter Handke.

Als Zerstreuung für die von der Mauer eingeschlossenen West-
Berliner, aber auch als Vergleichsmöglichkeit der deutschsprachigen
Bühnen untereinander, wurde das Theatertreffen 1964 als eigenständiges Festival ins Leben gerufen. Drei Preise werden verliehen: Der Theaterpreis Berlin geht 2013 an den Schauspieler Jürgen Holtz. Außerdem werden der Alfred-Kerr-Darstellerpreis für einen Nachwuchsschauspieler und der 3sat-Preis für eine besonders innovative Leistung vergeben.

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