Abfallhaufen im Museum Abteiberg

Die radikale Kunst von Robert Morris im Überblick.

Mönchengladbach. 1968 kippte der Amerikaner Robert Morris Textilabfälle auf den Boden, steckte Spiegel in den Haufen und irritierte, denn die Beine der Besucher wurden reflektiert.

Die Chefin des Mönchengladbacher Museums, Susanne Titz, ließ sich den farbigen Müll aus Lyon kommen, wo der 79-jährige Veteran aus wilden Zeiten zuletzt ausgestellt hatte. Und wenn die Retrospektive am Abteiberg am 24.Mai zu Ende geht, verschwindet das Zeug abermals in Säcken und wandert zur nächsten Station.

Morris ist der Radikalste unter den Minimalisten, die in den 60er Jahren wissen wollten, was Kunst ist. Muss ein Werk ästhetisch aufgeladen sein, muss es einmalig sein? Oder ersetzt die Idee das Werk? Für Morris genügte die Fragestellung.

In einem frühen Video zeigt er, warum dies so ist: Er hält einen großen Spiegel in eine verschneite Landschaft, und das Spiegelbild zeigt eine informelle Malerei, gänzlich ohne Pinsel erzeugt. Im Gegensatz zu Carl Andre und Donald Judd braucht er noch nicht einmal Kubus oder Quadrat für seine Anti-Kunst.

In den 50er Jahren studierte Morris Malerei und nahm sich Jackson Pollocks Tropfbilder zum Vorbild. Dann heiratete er Simone Forti, die berühmte Choreographin des Neuen Tanzes, und wurde selbst Tänzer. Er begriff, dass Tanz wie Bildkunst Tätigkeiten sind. Objekte ließ er nur noch zu, wenn sie Aktionen in Gang setzten. Das gilt für seine Spiegelglas-Kuben: Sie erfassen den Museumsraum, deformieren ihn und sind doch nichts anderes als Reflektionen dessen, was sich in ihrer Umgebung ereignet.

Aus einer kleinen Holzkiste kommt ein Geräusch: Man hört, wie jemand sägt und schraubt, um die Box herzustellen. Als sein Musiker-Freund John Cage das Kästchen sah, setzte er sich daneben und genoss die Töne, als wären sie die tollste Musik. Es gibt ein Klappbild, das an den Surrealisten Magritte erinnert: Morris malte einen Spiegel und befestigte das Bild mit Scharnieren an ein zweites Spiegelbild, als bespiegele sich die Kunst selbst. Es gehört Mut dazu, so einen Purismus jahrzehntelang durchzuhalten.

Ein "Eckstück" von 1965 ist eine dreieckige, graue Sperrholzplatte, die so angestrahlt wird, dass sie an den Rändern Schattenfugen bildet. Das Kuriose: Die Platte scheint zu schweben, der Schatten hält sie in der Realität fest. Eine Installation aus verzinktem Bett, Stuhl und Tisch nennt sich "Hearing", Verhör (1972). Dazu läuft ein Tonband mit Reden und Widerreden ab. Was verhandelt wird, erfahren wir nicht.

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