Aber jetzt: Applaus, Applaus, Applaus...

Beifall: Zwischen falschen Eitelkeiten und Begeisterungsstürmen – Eine kleine Kulturgeschichte des Klatschens in unseren Theatern und Konzertsälen.

<strong>Düsseldorf. Kurz nachdem sich der Mensch noch mit der Faust auf die Brust trommelte, muss sie geschlagen haben, die Geburtsstunde des Applauses. Während sich unsere Vorfahren der Ekstase eines rituellen Tanzes hingaben und Barfuß durch den Staub hüpften, kam ihnen wohl die Idee, die Innenseiten der Hände als vorzeitliche Rhythmusmaschine zu nutzen. Stampfend und klatschend machte sich die junge Menschheit Mut, demonstrierte Stärke und erzeugte Gemeinschaftsgefühle. In diese Richtung geht wohl aus das Zitat des großen Skeptikers Nietzsche: "Im Beifall ist immer eine Art Lärm: selbst in dem Beifall, den wir uns selber zollen."

Mit 67-minütigem Beifall hält Luciano Pavarotti den Rekord

Im klassischen Konzert hingegen hat der Mensch von heute seine Urkräfte hinter einem penibel austarierten Geflecht aus Konventionen versteckt. Bereits 1770 in Jena musste er vor der Aufführung unterschreiben, "sich still und sittsam zu verhalten, sich während den Concerts alles Geträncks und Tobakrauchens, und Spielens zu enthalten . . ."

Die Konsequenzen sind bekannt. Wer es heute wagt, zwischen zwei Sätzen zu applaudieren, wird pädagogisch aufgeladen niedergezischt. Psst, die Aura des Besonderen soll nicht gestört werden. Der vermeintliche Kenner räuspert sich hingegen und hustet einmal kräftig ab. Ob sich die vielbeschworene Konzentration so leichter einstellt, darf allerdings bezweifelt werden.

Doch solch außerplanmäßige Uferlosigkeit bleibt die Ausnahme. Grundsätzlich gilt: Beifall wurde so gut wie nie dem Zufall überlassen. "Valete et plaudite!" ("Lebt wohl ihr und klatscht!") rief im alten Rom der Hauptdarsteller am Ende eines Theaterstücks dem Publikum zu. Zudem kannten die alten Römer den Beifall auch als Ware. Gegen Bezahlung mischten sich im Circus Maximus Applaus-Trupps unters Volk. Kaiser Nero hielt sich gar eine Einheit von 5000 professionellen Jublern.

Eine Inflation erleben die so genannten Claqueure zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem in Italien und Frankreich. Ein Monsieur Sauton gründete 1820 eine "Versicherung für Bühnenerfolge". Aus Italien ist gar ein Tarifsystem überliefert: Für beharrlichen Beifall gab es 15, für Bravo-Rufe 5 Lire.

Im Theater der Gegenwart versuchen Regisseure den Beifall zu steigern, indem sie besonderen Wert auf die Applaus-Ordnung legen. Bis zu einer Woche proben sie, wer sich wann, wie und wo zu verbeugen hat, zu welcher Musik, in welchem Tempo. Die Nebendarsteller zuerst, prominente und die ältesten Schauspieler sowie die Hauptrollen dürfen zum Schluss. Jeder einzelne soll so vom berühmten "Brot des Künstlers" seine Scheibe abbekommen.

Ist der Applaus also die größte Anerkennung für einen Künstler? Am Ende dieser kleinen Kulturgeschichte der falschen Eitelkeiten und aufrichtigen Begeisterungsstürme soll nicht verschwiegen werden, dass mancher ihn für überschätzt hält. So sagte der große Pianist Vladimir Horowitz: "Applaus kann jeder haben. Aber die Stille vor und während des Spiels - das ist das Größte."

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