William Boyd belebt James Bond als Romanfigur

London (dpa) - Die stilisierten Einschusslöcher im Einband des Buches sind Programm: „Solo“, William Boyds neuer und erster Roman über den britischen Superagenten James Bond, ist gewürzt mit den Zutaten, die „007“ über die Jahrzehnte in Wort und Bild zum Kult gemacht haben.

Viel Blut, raffinierte Waffen-Spielereien, schöne Frauen und ein bisschen Wortwitz. Dennoch geht Boyds Bond weit über die teils simplen Drehbücher jüngerer Bond-Filme hinaus. Oder wie Lucy Fleming, die Nichte von Bond-Erfinder Ian Fleming es beschreibt: „Mein Onkel hat gesagt, Bücher müssen es schaffen, dass der Leser umblättert. Dieses Buch hat das erfüllt.“

Der Schotte Boyd, in seinen ersten Lebensjahren in Ghana aufgewachsen, lässt den Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät ins Afrika des Jahres 1969 reisen. Zanzarim nennt Boyd das Land, in dem ein fürchterlicher Bürgerkrieg um Macht und Bodenschätze tobt. Die britische Regierung als ehemalige Kolonialmacht unterstützt die Zentralregierung mit Waffen, um den Krieg zu beenden - und um den Zugang zum Öl für westliche Konzerne zu öffnen. Bond, getarnt als Reporter einer französischen Nachrichtenagentur, soll nachsehen, warum es die Rebellen entgegen aller militärischen Vernunft schaffen, weiterhin Widerstand zu leisten.

Boyd gibt sich in seiner bis zum Tag des Verkaufsstarts streng geheim gehaltenen Geschichte wenig Mühe, die Parallelen zum blutigen Biafra-Krieg zu kaschieren, der Ende der 1960er Jahre in Nigeria tobte. Ein Thema, das der Autor schon 2002 in seinem Buch „Any Human Heart“ behandelte und das ihn seit seiner Jugend umtreibt. Hunderttausende Kriegsopfer, hungernde Kinder, Flüchtlingskarawanen - das ist der Boden, auf dem der Thriller fruchtet. Und aus dem eine mit vielen Windungen atemberaubend inszenierte Agenten-Story wird, deren Handlung natürlich nicht auf den kleinen Staat in Afrika beschränkt bleibt, sondern weltpolitische Dimensionen erreicht.

In dem Roman über den britischsten aller Agenten rechnet Boyd ein bisschen auch mit der Kolonialpolitik seines Heimatlandes ab. „Sie haben sich für uns entschieden“, sagt der Chef des britischen Secret Service „M“ an einer Stelle des Besuches über den Willen des Volkes im Fantasiestaat Zanzarim, unter britisches Patronat gestellt zu werden. „Erstaunlich“ antwortet Bond, so trocken wie sein Wodka Martini, den er auch in diesem Buch geschüttelt - nicht gerührt - genießt. Folgerichtig widersetzt sich der Agent dann auch den Anordnungen aus London - der Buchtitel „Solo“ ist kein Zufall.

Echte Bond-Fans dürften sich vor allem über die klassische Linie des Romans freuen. Boyd, von der Familie des 1964 gestorbenen „007“-Erfinders Ian Fleming als Autor für die Fortsetzung der Romanserie ausgesucht, hält sich an die Vorgaben in Flemings Büchern. „Bond ist ein sehr komplexer Charakter“, sagte Boyd bei der vom Verlag werbewirksam inszenierten Buchvorstellung im Londoner Dorchester Hotel, einem der Schauplätze des Romans. „Was ihn für den Leser faszinierend macht, ist das dreidimensionale Porträt von ihm, er hat Probleme, er macht Fehler“, sagte der 61 Jahre alte Erfolgsautor.

Vor Boyd hatten sich mit Sebastian Faulks und Jeffrey Deaver bereits zwei Autoren mit offizieller Unterstützung der Familie in die Fußstapfen des Bond-Urvaters begeben. Wie seine Vorgänger lässt Boyd Überraschungen bei der Romanfigur aus. Ein bisschen mehr politisch korrekt als früher vielleicht, ein bisschen reifer geworden, im Alter von 45 Jahren ein bisschen sentimentaler und nachdenklicher - im großen und ganzen aber natürlich der Draufgänger durch und durch. „Bond liest man nicht wegen der Überraschungen. Bond liest man wegen des Vertrauten“, schrieb der „Guardian“ schon bevor der Inhalt bekanntwurde.

Boyd, auch als Drehbuchautor bereits erfolgreich, hatte sich während der Arbeit für das neue Buch mit dem derzeitigen Bond-Darsteller Daniel Craig getroffen - und hält ihn nicht für die beste Wahl. „Ich glaube, dass Daniel Day-Lewis am ehesten dem Bond entspricht, den Fleming beschreibt“, sagte er. In diesem Jahr jährt sich zum 60. Mal der Erscheinungstag des ersten Bond-Romans aus der Feder Ian Flemings, „Casino Royal“. Dieses und 13 weitere wurden mehr als 100 Millionen Mal in aller Welt verkauft. Kritiker bemängeln, die neueren Bücher über den Agenten mit der Lizenz zum Töten seien nur noch „eine Lizenz zum Gelddrucken“ - meist zeitlich zwischen der Veröffentlichung zweier Bond-Kinofilme platziert. Der jüngste Film „Skyfall“ war im vergangenen Herbst angelaufen, der nächste soll bereits in Arbeit sein.

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