Verunsicherung über Zukunft des gedruckten Buchs

Erlangen (dpa) - An den Bücherständen im Erlanger Schlosspark herrschte stets Gedränge - trotzdem war die Verunsicherung über die Zukunft des gedruckten Buchs auf dem diesjährigen Poetenfest allgegenwärtig.

Zumindest in einem Punkt waren sich führende Verlags-Vertreter am Ende des viertägigen Literaturfestivals einig: Das Bedürfnis, ein Buch in der Hand zu halten, ist bei vielen Bücherfreunden noch immer groß. Dennoch werde der Trend zum E-Book den Literaturbetrieb verändern.

Der große Verlierer werde am Ende wohl der stationäre Buchhandel sein, prognostizierte der künftige Chef des Carl Hanser Verlag, Jo Lendle. „Ein großer Teil der Buchhandlungen wird untergehen“, sagte Lendle, der derzeit verlegerischer Geschäftsführer des Dumont-Verlags ist. Ähnlich schätzt die Lage auch Michael Schikowski vom Campus-Verlag ein: „Wer jetzt ein großes Ladenlokal hat, muss sich verkleinern“, riet er Buchladen-Betreibern.

Nach Lendles Beobachtung gibt es im Buchhandel allerdings auch schon eine Gegenbewegung: Es gebe derzeit viele interessante Neugründungen; die Konzepte der meist jungen Buchhändler setzten im Unterschied zu großen Bücherketten wieder verstärkt auf Beratung, ohne angestaubt zu wirken, sagte er.

Der wachsende wirtschaftliche Druck, unter dem Verlage stünden, bleibe inzwischen auch nicht ohne Folgen für die Verlagsprogramme. „Was geht, das sind Titel, die schnell auf Auflagen von 10 000 bis 20 000 hochschießen“, sagte Lendle. Manche Verlage leisteten sich auch noch exotische Titel mit kleinerer Auflage. „Was aber wegbricht, ist die Mitte - jene Titel also, die nicht sofort hohe Auflagen versprechen, aber früher die Chance boten, groß zu werden“, erläuterte er.

Der scheidende Chef des Münchner Carl Hanser Verlags, Michael Krüger, sorgte sich derweil um die literarische Qualität des Buchangebots - und ermunterte Leser zu einem kritischeren Umgang mit Literatur. „Schlechte Bücher sollten Sie nach zehn Seiten sofort weglegen“, riet er. Wenn es nach ihm ginge, sollte es einen Staubsauger geben, „der sich über die ganze Welt legt und alle schlechten Bücher absaugt. Ich kann mir Bibliotheken vorstellen, wo nur drei Bücher übrig bleiben“.

Einige der in Erlangen versammelten 80 Literaten, Publizisten und Literaturkritiker setzten sich auch mit der Späh-Affäre des US-Geheimdienstes NSA auseinander. Die Veranstalter hatten dazu eigens eine Podiumsdiskussion ins Programm genommen. In den Augen des Berliner Philosophen und Roman-Autors Peter Bieri stellt die NSA-Spähaffäre einen „vernichtenden Eingriff in unsere Würde“ dar. Er sei verblüfft, „dass der Aufschrei darüber nicht größer ist“, sagte der gebürtige Schweizer, der unter dem Alias-Namen Pascal Mercier mehrere Roman-Bestseller veröffentlicht hat.

Der Diskussion über Literatur und Kultur stellte sich beim Poetenfest auch einer, den sonst nur wenige mit den sogenannten schönen Künsten in Verbindung bringen: der frühere Trainer des 1. FC Nürnberg, Hans Meyer. In einer Diskussion räumte er ein, dass er ein Fußballspiel nur selten als Kunst erlebe. Die von ihm trainierten Spieler seien durchweg „gute Arbeiter“ gewesen, sagte er am Sonntag. „Aber wenn die auf den Platz gegangen sind, war von Kunst nicht viel zu sehen“, fügte er hinzu. „Aber auch wenn ich ins Theater gehe, sehe ich manchmal viel Mist.“

Die Veranstalter sprachen am Sonntagnachmittag von einem „fantastischen Besuch“ des Festivals. Insgesamt hätten sich bei Lesungen und Diskussionen im Erlanger Schlosspark rund 13 000 Literaturinteressierte über Neuerscheinungen informiert. Dies seien nach groben Schätzungen rund 1000 mehr als im Vorjahr, berichtete Festivalleiter Bodo Birk. „Wir freuen uns auch, dass die Besucher nicht nur zu den Hauptveranstaltungen strömen, sondern sich auch für komplexere Angebote interessieren“, sagte er.

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