Swetlana Alexijewitsch: „Der Weg zur Freiheit ist lang“

Frankfurt/Main (dpa) - Die weißrussische Autorin und Regimekritikerin Swetlana Alexijewitsch hat keine Hoffnung auf schnelle politische Veränderungen in ihrer Heimat. „Der Weg zur Freiheit ist lang“, sagte die 65-Jährige am Freitag vor Journalisten auf der Frankfurter Buchmesse.

„Ein Mensch, der 40 Jahre lang im Lager gelebt hat, kann nur im Lager leben.“ Alexijewitsch, die mit ihren dokumentarischen Büchern als Chronistin des zerfallenden Sowjetimperiums gilt, nimmt am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den renommierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegen.

Die in Weißrussland totgeschwiegene Autorin, die nach langjährigem Exil in Mitteleuropa wieder in Minsk lebt, sprach von einer „Zivilisation des Leidens und der Tränen“. 70 Prozent der Bevölkerung wünschten sich sogar Stalin zurück. In Russland litten die Menschen unter Präsident Wladimir Putin und dem „wilden Kapitalismus“. In Weißrussland stützten vor allem die Älteren das autoritäre Regime von Präsident Alexander Lukaschenko, weil sie Angst vor jeglichen Veränderungen hätten.

Den Intellektuellen warf sie vor, nach dem Zerfall der Sowjetunion geschwiegen zu haben. Ehemalige KP-Parteimitglieder und andere Emporkömmlinge seien dann in das Machtvakuum eingedrungen.

Alexijewitsch kündigte an, die mit dem Friedenspreis verbundene Summe von 25 000 Euro für ihre weitere Arbeit zu verwenden. Sie wolle ihre Bücher in der Region verteilen, wo Lukaschenko ein neues Atomkraftwerk bauen wolle. Die 65-Jährige ist mit ihren Büchern, in denen sie immer Betroffene zu Wort kommen lässt, über die Atomkatastrophe von Tschernobyl und über den sowjetischen Afghanistankrieg weltweit bekanntgeworden.

In ihrem neuen Werk „Secondhand-Zeit“ dokumentiert sie die tief erschütterte Gefühlswelt der Menschen in der früheren Sowjetunion. Auf Deutsch erschien jetzt auch erstmals unter dem Titel „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ ihr in den 1980er veröffentlichtes Buch über die dramatischen Erinnerungen von Frauen an den Zweiten Weltkrieg mit der glorifizierten Rolle der Sowjetarmee.

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