Tod mit 86 : Spanien sagt Literaturrebell Juan Goytisolo adiós
Madrid (dpa) - Wie Milan Kundera, Don DeLillo und andere Autoren gehörte auch Juan Goytisolo zu den sogenannten ewigen Anwärtern auf den Literaturnobelpreis. Anders als die meisten seiner Kollegen war der Spanier derweil nie scharf auf Auszeichnungen.
„Wenn man mir einen Preis verleiht, bekomme ich Selbstzweifel. Wenn man mich aber zur unerwünschten Person erklärt, weiß ich, dass ich Recht habe“, sagte er im Frühjahr 2015, als er in Alcalá de Henares bei Madrid den renommierten Cervantes-Preis 2014 in Empfang nahm - und dazu seine einzige, alte Krawatte anzog.
Den Nobelpreis wird der mehrfach ausgezeichnete Autor von „Trauer im Paradies“ (1955) - durch und durch ein Rebell - nicht mehr bekommen. Der kleingewachsene Mann mit der stets ruhigen, leisen und dennoch so „lauten“ Stimme, der wie kaum ein Zweiter das soziale Gewissen seiner Heimat verkörperte, starb am Sonntag im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Marrakesch an den Folgen eines im März erlittenen Schlaganfalls. „Der Widerspruch von Goytisolo ist erloschen“, titelte die Zeitung „El País“.
Der am 5. Januar 1931 als Sohn einer wohlhabenden Familie in Barcelona geborene Goytisolo war ein kritischer Intellektueller, ein unbequemer Andersdenkender. In seinen Werken legte er den Finger bzw. die Feder schonungslos in die Wunden seiner Heimat. Während der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) kritisierte er die Rückständigkeit der Gesellschaft und stellte die Armut und den Nationalkatholizismus an den Pranger. Aber auch auf seine alten Tage sparte er nicht mit Kritik am modernen Spanien.
Etwa in seinem letzten Roman „El exiliado de aquí y de allá“ (2008/Der Exilant von hier und da), in dem er Konsumwahn und die Macht der Religion geißelte. „Wir leben gefangen zwischen Konsum und Terror“, sagte er anlässlich der Herausgabe des Buches. Er kritisierte in seinen Schriften, Reden und Interviews auch die Korruption, die Zwangsräumungen und die sozialen Kürzungen.
Der Hass des Jungkommunisten Goytisolo auf die Diktatur war nicht nur ideologisch bedingt. Er und seine ebenfalls als Schriftsteller berühmt gewordenen Brüder José Agustín (1928-1999) und Luis (82) wurden vom Tod der Mutter Julia entscheidend geprägt. Sie starb während des Bürgerkrieges, als die italienische Luftwaffe, die den Aufstand von General Franco unterstützte, 1938 Bomben über Barcelona abwarf und das Haus der Goytisolos zerstörte.