Sehnsüchtig, scheu, weltberühmt: Hermann Hesse
Calw (dpa) - Er war weich und gleichzeitig von unbeugsamer Widerborstigkeit, er war selbstzerstörerisch und dann wieder von Gesundheitswahn und Hypochondertum besessen, er sehnte sich nach Liebe und Zugehörigkeit und war doch unsagbar scheu.
Der Schriftsteller Hermann Hesse hat mit seinen Büchern wie kein zweiter eine ganze Generation berührt und ihr das Gefühl gegeben, für sie zu sprechen. Gesprochen aber hat Hesse Zeit seines Lebens immer nur für sich selbst.
Seine Zerrissenheit, die Suche nach der Mitte und seine Sehnsucht nach absoluter Hingabe, die er genauso entbehrte wie er sie mied, hat ihn bis zum Tod begleitet. Dreimal war er verheiratet, den größten Teil seines Leben verbrachte er in der Schweiz. 1962 starb Hermann Hesse in seinem Haus im schweizerischen Montagnola, an dessen Gartentor stets das Schild hing: „Bitte keine Besuche.“. Sein Todestag jährt sich am 9. August zum 50. Mal.
Die Hinterlassenschaft des Schriftstellers ist enorm. Im Laufe seines Lebens schrieb er rund 44 000 Briefe, malte etwa 4000 Aquarelle - und verfasste vor allem weltberühmte Romane und Erzählungen, darunter „Unterm Rad“, „Der Steppenwolf“, „Demian“, „Narziss und Goldmund“, „Roßhalde“, „Klingsors letzter Sommer“ oder „Das Glasperlenspiel“. In seinen Büchern thematisierte der Literaturnobelpreisträger Auflehnung, Spiritualität und die große Sehnsucht nach und gleichzeitig das Leiden an Leidenschaft und Schmerz - immer wieder konterkariert durch seinen Wunsch nach bürgerlicher Geborgenheit.
Seine bürgerliche Existenz warf er hin - vielmehr: Er konnte sie nicht leben. „Er brauchte viel Einsamkeit, um empfangsbereit zu sein, wenn die Ideen kamen“, sagt Hesse-Herausgeber Volker Michels. 1919 flüchtete Hesse aus einer Ehe, deren Enge und Nähe ihm unerträglich geworden war. Er verließ seine inzwischen psychisch schwer kranke Frau - und seine drei kleinen Söhne. Welches Leid die danach bei Verwandten oder Freunden untergebrachten Kinder dadurch erfuhren, ist wenig bekannt und steht bis heute bei der Beschäftigung mit Hesse nurmehr zwischen den Zeilen.
Für Hesse gab es wohl keinen anderen Ausweg aus einer elementaren Lebenskrise, die ihn fast umgebracht hätte. „Vater hat getan, was nötig war, um zu werden, was er heute ist“, so zitiert der Calwer Hesse-Experte Herbert Schnierle-Lutz Hesses Sohn und Nachlassverwalter Heiner. Der Journalist Reinhard Stöhr erinnert sich an ein Gespräch mit Heiner Hesse, in dem dieser aber auch das Drama eines verlassenen Kindes reflektierte: Die ganze Welt habe Rat bei seinem Vater gesucht. Aber für die Kinder war er kaum greifbar.