Verwunderung in Wuppertal: Das hat es mit diesen wuchtigen Schildern in der Elberfelder City auf sich
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Schelm, Monster, Nobelpreisträger

Ian McEwan schreibt in „Solar“ vergnüglich über einen Egoisten.

Düsseldorf. Michael Beard ist ein Feigling, ein Schwindler und ein Schwätzer - und die Frauen fliegen auf ihn. Er macht seine Charaktermängel auch nicht etwa durch blendendes Aussehen wett. Zu Beginn des Romans "Solar" im Jahr 2000 ist er 53 Jahre alt, sein Haar schütter und seine Figur moppelig, neun Jahre später sind die Haare nicht mehr geworden, die Bauchwülste aber schon. Doch er selbst und vor allem andere halten Beard für ein Genie, denn er hat mit Ende 20 den Nobelpreis für Physik erhalten.

Der Schriftsteller Ian McEwan hatte schon immer eine Vorliebe für zweifelhafte Charaktere - von den Kindern, die ihre Mutter einbetonieren ("Zementgarten", 1978), bis zu den falschen Anschuldigungen einer 13-Jährigen, die zwei Menschen ins Unglück stürzen ("Abbitte", 2001). Die Idee zu seinem jüngsten Antihelden sei ihm 2007 beim Besuch eines Klimawandel-Symposions in Potsdam gekommen, erzählt der Autor. Dort habe er seinen Blick über eine Schar von Nobelpreisträgern schweifen lassen, die seit ihrer Preisverleihung vor allem bei derlei Veranstaltungen anzutreffen seien, aber kaum noch durch wissenschaftliche Glanzleistungen hervorträten.

So hält es auch seine Hauptfigur. Beard ist versiert darin, Gelder für Projekte loszueisen, Vorstandsposten zu sammeln und die eigentliche Arbeit anderen zu überlassen. Er findet nicht einmal etwas dabei, die Forschungsergebnisse eines Assistenten als seine eigenen auszugeben.

Und doch dürfte jeder Leser in Beard jemanden entdecken, den er so ähnlich kennt - wenn nicht gar sich selbst. Jeder Diätvorsatz wird beim nächsten Anflug von Appetit verworfen, seine Selbstüberschätzung führt ihn zielsicher zum Fettnapf. So folgt man dieser lächerlichen Version eines Alphamännchens mit Nachsicht durch slapstickhafte Abenteuer. Bei Beard hinterlässt keines irgendeine Erkenntnis, denn er unternimmt weiter das, was er am liebsten tut: nämlich nichts.

Ian McEwan macht seinen Nobelpreisträger nicht nur zum Mittelpunkt eines insgesamt hochvergnüglichen Schelmenromans, er nutzt ihn auch als allegorische Figur. Denn so rücksichtslos, wie Michael Beard mit seinem Körper umgeht, so sorglos zerstört die Menschheit ihren Lebensraum. So sagte er der "FAZ": "Die westliche Zivilisation ist auch gierig und wird immer fetter. Alle wollen noch mehr konsumieren, besitzen und ausgeben. Und jedes andere Land will so sein wie wir. Noch hat sich keine Gesellschaft gefunden, die sich der westlichen Zivilisation, ihren Städten, ihren Maschinen und ihren iPhones, ganz verweigert. Darum hat Beard etwas von einem Jedermann."

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