Preußenkönig „Alter Fritz“: Leben und Mythen

Berlin (dpa) - Vom Vater brutal gegängelt, als König Reformer, Machtpolitiker und Hasardeur auf dem Schlachtfeld - Friedrich II. von Preußen wurde von der Nachwelt als Aufklärer oder Feldherr instrumentalisiert.

Zu seinem 300. Geburtstag am 24. Januar schildern zahlreiche neue Bücher über den „Alten Fritz“ (1712-1786) das Leben, Geschichten, Mythen und Zoten über den Preußenkönig. Sie gehen der Frage nach, ob der Schöngeist Friedrich, der von Ruhmessucht getriebene König wirklich der „Große“ war oder doch eher der unheilvolle Wegbereiter des deutschen Militarismus.

Die Abneigung gegen den Vater, die Liebe zu seiner Schwester, die Nichtbeachtung seiner Frau, die Beziehung zum Schriftsteller Voltaire, Kriege mit den Großmächten und der Aufbau Preußens: Die Bücher legen teils nüchtern, teils anekdotenreich eine unterschiedliche Gewichtung auf das politische oder das private und höfische Leben. Sie beschreiben, wie Friedrich im Deutschen Kaiserreich, von den Nazis oder in der DDR für die Zwecke der Machthaber missbraucht wurde und wie sein rücksichtsloses Vorgehen in den Schlesischen Kriegen und im Siebenjährigen Krieg auch zum unheilvollen Vorbild in beiden Weltkriegen wurde.

„Eine historische Figur, von der wir in der Tat nicht so genau wissen, wozu sie heute eigentlich noch zu gebrauchen ist - die aber ohne Frage zum Unterhaltsamsten gehört, was die deutsche Geschichte je hervorgebracht hat“, schreibt der Historiker Tillmann Bendikowski. In seinem mit leichter Hand erzählten, kurzweiligen Buch über Friedrich II. kommt er zu dem Fazit: „Die vermeintliche Größe Friedrichs ist also maßgeblich eine Zuschreibung der Nachwelt, mit der die Persönlichkeit Friedrichs nicht adäquat umrissen ist.“

Der Historiker Jürgen Luh, der sein Buch „Der Große. Friedrich der II. von Preußen“ nicht chronologisch, sondern nach Eigenschaften des Königs wie Ruhmsucht oder Eigensinn aufbaut, bilanziert wenig schmeichelhaft. „Friedrich war ein eigensinniger, ja eigensüchtiger Mensch, ein Egoist sein Leben lang.“ Ihm sei es nicht um die Zukunft Preußens gegangen, er habe zu Lebzeiten und für die Nachwelt als der „Große“ gelten wollen. Luh überfrachtet seine Darstellung zeitweise allerdings mit Zitaten, was den Lesefluss manchmal auch hemmt.

Das höfische und private Leben des Preußenkönigs beschreibt am detailliertesten der Journalist Tom Goeller. Ausführlich geht er zum Beispiel auf das Verhältnis zu seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., ein, der den „Weichling“ Fritz verachtete. Goeller legt auch viel Wert darauf, Friedrich II., entgegen Spekulationen über dessen Homosexualität, als Frauenfreund darzustellen. Ein eigenes Kapitel widmet er so der Frau des Herrschers: „"Meine alte Kuh": Er mag Frauen, aber nicht seine.“ Goellers politisches Fazit: „Friedrich und seine Zeit sind hochaktuell, ja brisant: Themen wie Integration von ausländischen Einwanderern, Folterverbot, Kindestötungen, Krieg als Mittel der Außenpolitik, Einfordern von Rechenschaft der Politiker gegenüber ihrem Volk, als dies gab es vor dreihundert Jahren genauso wie heute.“

Klar und stringent erzählen der Journalist Johannes Unger und der Historiker Johannes Kunisch ihre Friedrich-Geschichten. Unger beschreibt detailliert auch die politischen Konstellationen, Feindschaften und Verbindungen zwischen den europäischen Großmächten im 18. Jahrhundert. In Hintergrundkästen erläutert er zusätzlich zum Beispiel das preußische Heer oder in Länderskizzen Frankreich und Russland.

Kunisch gibt mit seiner kurzen Darstellung von gut 100 Seiten eine knappe, schnelle und gut zu lesende Einführung über Friedrich den Großen. Für ihn steht fest, wie auch immer eine Bilanz über Friedrich ausfallen mag, dass es unter den Herrschern seiner Zeit und unter den Preußenkönigen niemanden gab, der mit einer solchen Fülle von Talenten begabt war. Er wurde so facettenreich wahrgenommen, dass er je nach Blickwinkel und Instrumentalisierung Bewunderung oder Missachtung hervorrief.

Andere Neuerscheinungen zum 300. Geburtstag des Preußenkönigs, der aus einem Flickenteppich auf der Landkarte durch Kriege und eine rücksichtslose Politik eine europäische Großmacht machte, sind Gesamtdarstellungen über Preußen oder einzelne Facetten über Friedrichs Leben. Michael Epkenhans, Gerhard P. Groß und Burkhard Köster beschreiben in einem reich illustrierten Hochglanzband Aufstieg und Untergang Preußens. Eine feine Ergänzung bietet Norbert Leithold mit seinem lexikonartig aufgebauten kulturgeschichtlichen und bebilderten Panorama von A bis Z.

Tillmann Bendikowski: Friedrich der Große, C. Bertelsmann, München, 336 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-570-01131-7

Jürgen Luh, Der Große. Friedrich II. von Preußen, Siedler-Verlag, München, 288 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-88680-984-4

Johannes Kunisch, Friedrich der Große, C.H. Beck-Verlag, München, 127 Seiten, 8,95 Euro, ISBN 978-3-406-62141-3

Johannes Unger, Friedrich. Ein deutscher König, Propyläen-Verlag, Berlin, 315 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 987-3-549-07413-8

Tom Goeller, Der Alte Fritz. Mensch, Monarch, Mythos, Hoffmann und Campe-Verlag, Hamburg, 352 Seiten, 21,99 Euro, ISBN 978-3-455-50219-0

Michael Epkenhans, Gerhard P. Groß, Burkhard Köster, Preußen. Aufstieg und Fall einer Großmacht, Konrad Theiss-Verlag, Stuttgart, 216 Seiten, 39,95 Euro, ISBN 978-3-8062-2418-4

Johannes Bronisch, Der Kampf um Kronprinz Friedrich. Wolff gegen Voltaire, Landtverlag, Berlin, 136 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-938844-23-6

Uwe A. Oster, Sein Leben war das traurigste der Welt. Friedrich II. und der Kampf mit seinem Vater, Piper Verlag, München, 283 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-492-05411-9

Norbert Leithold, Friedrich II. von Preußen. Ein kulturgeschichtliches Panorama von A bis Z, Eichborn-Verlag, Frankfurt, 436 Seiten, 32 Euro, ISBN 978-3-8218-6240-8

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