Mit der Weisheit eines Lebens

Siegfried Lenz legt einen schmalen Band vor, der literarisch nicht immer überzeugt.

Hamburg. Siegfried Lenz, der große Romancier und unterhaltsame Erzähler der deutschen Nachkriegsliteratur („Deutschstunde“, „So zärtlich war Suleyken“), legt fünf neue Geschichten vor. Sie dürften dem 85-Jährigen viel Kraft abverlangt haben. Immer wieder hatte er in den vergangenen Jahren operiert und häufig bestrahlt werden müssen.

In der Titelgeschichte entwickelt Lenz das Thema, wie sehr Masken Menschen verändern und vermeintlich entlasten können. Eine Metapher auch für das, was wir im Leben darstellen oder darstellen wollen. Angelegt ist die Handlung auf einer Elbinsel. Ein Container aus China mit Tiermasken für das Hamburger Völkerkundemuseum strandet.

Er wird aufgebrochen, Urlauber und Einheimische bedienen sich, feiern beim Inselwirt eine ausgelassene „Maskenwahl“. Doch eine „Maske des Abends“ wird doch nicht gekürt, denn: „Alle bezeichnen etwas, alle schlagen uns vor, wie wir uns am besten gegen die Welt behaupten können, welche Eigenschaft uns hilft, ihr gewachsen zu sein.“

Norddeutsche Namen, Dünenlandschaft und raues Wetter bilden den atmosphärischen Hintergrund, dazu eine zarte Liebesgeschichte und augenzwinkernder Humor. Lenz bleibt sich und seinen früheren Werken treu, auch was die unmissverständliche Symbolik betrifft. „Wir spielten das Spiel, das die Masken uns nahegelegt hatten“, heißt es über das junge Liebespaar — Lene trägt eine Wildkatzen-Maske, Jan zeigt als Drache Imponiergehabe.

Der Verlag Hoffmann und Campe hatte „Die Maske“ als Roman angekündigt. Erschienen ist nun der Erzählband mit der 40 Seiten langen Titelgeschichte. Manche Übergänge wirken abrupt, manche psychologische Entwicklung wird nur angedeutet.

Dafür gelingen Lenz atmosphärische Schilderungen, über Wirtshausschlägereien genauso wie über den verebbenden Sturm: „(. . .) wie verausgabt rollte die See an, in der Luft spürte man eine ungewöhnliche Stille der Erschöpfung, aber auf einmal waren auch wieder die Stimmen der Seevögel zu hören, ihr ewiges Gezänk, ihre gellenden Warnrufe.“

Die vier anderen Erzählungen des Bandes sind mit 14 bis 26 Seiten deutlich kürzer. „Rivalen“ handelt von der Eifersucht einer Ehefrau auf ein Frauenporträt, das ihr Ehemann, ein Museumswärter, mit nach Hause bringt.

„Die Sitzverteilung“ betrachtet die Oberflächlichkeit von gesellschaftlichem Wert und Status — parabel artig entfaltet an der Sitzordnung bei einer Ehrung. Die Kraft der Imagination feiert Lenz in „Ein Entwurf“. Ein Schriftsteller liest seiner Frau das Leben ihres Sohnes vor, der in Wirklichkeit schon bei der Geburt starb.

„Das Interview“ führt ein Journalist mit einem Filmregisseur über dessen Lebenssicht. Als der Journalist das Ende des Films „Der Vorkoster“ zu lakonisch findet — der Protagonist wird von einer Sturzwelle geschluckt —, antwortet der Regisseur alias Lenz: „Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit zuzuschlagen.“

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