"Jan Wellem im Schönheitssalon" Martin Roos: Roman zwischen Satire und Boulevard-Komödie

Einen Roman zwischen Satire und Boulevard-Komödie hat Martin Roos über Düsseldorfs Gesellschaft geschrieben.

Jan Frans Douven malte Jan Wellem im Jahr 1716.

Jan Frans Douven malte Jan Wellem im Jahr 1716.

Düsseldorf. Der Grand Départ der Tour de France steht kurz bevor in Martin Roos’ erstem Roman „Jan Wellem im Salon“. Der gebürtige Düsseldorfer, Doktor der Philosophie, Journalist, Dozent, Ghost- und Redenschreiber, der bisher „nur“ Fachbücher verfasst hat, wollte schon länger eine Düsseldorfer Satire oder Komödie schreiben. Dafür wählte er das aus Hollywood-Filmen der 30er und 40er Jahre bekannte Format der „Screwball Komödie“ mit spritzigen Dialogen: „Ich wollte Düsseldorfer Typen sprechen lassen. Dass es Jan Wellem wurde, ist eher Zufall.“

"Jan Wellem im Schönheitssalon": Martin Roos: Roman zwischen Satire und Boulevard-Komödie
Foto: dpa

Wie die Hollywood-Streifen spielt der Roman meist in einem Raum, einem Schönheits-Salon. Eine Art Bühnenbild mit einem Gemälde, das Jan Wellem und seine Gemahlin Anna Maria von Medici zeigt. Und in der Tat: Schon bei der ersten Lektüre von „Jan Wellem im Salon“ kann man sich die Figuren unter seinem Porträt auf einer Boulevard-Bühne vorstellen, René Heinersdorff sollte es mal daraufhin lesen.

Einen Schönheits-Salon gibt es tatsächlich am Barbarossa-Platz in Oberkassel. Roos: „Das Nagelschmitz war wohl meine größte Inspiration. Es hat mich überhaupt erst zur Idee des Salons in meinem Roman gebracht. In dem geht sie ein und aus, die Düsseldorfer Mischung aus Schampus, Botox, Bier und Biedermeier.“ Dort lässt Roos seinen Protagonisten, Jean Baptist Dänzer-Valotti, genannt Schambes — glupschäugig wie sein Namensvetter Johann — , gut zuhören und kräftig seine Meinung sagen.

Während er Schambes an den Zehennägeln der feinen Gesellschaft feilen lässt, macht Roos in seinen Dialogen „Nägel mit Köpp“. Stichwort Grand Départ: „Dieser ganze Rummel. Was haben wir bitte schön mit diesen prostatazerquetschten Strampelheinis zu tun? Das Ganze ist doch einfach ein riesiger Beschiss.“

Nun verleiten Romane mit Lokal-Kolorit den Leser leicht zu der Fragestellung „Who is Who“, und beim Erraten zum Weitersagen: „Du kommst auch drin vor.“ Das macht die Lektüre für Einheimische und Insider spannend und amüsant. Sie wähnen sich selbst im „Alberti“, das so was wie das „Borchardt“ von Düsseldorf sein will, und dessen Wirt Matteo kurz vor dem Grand Départ einen „Coffee-to-Cycle“ brüht. Das kann doch nur Saitta sein, auch wenn der Autor beteuert, alle Figuren seien erfunden, es gebe keine wirklichen Vorbilder.

Dabei gab es Matteo Alberti. Roos: „Ich kannte ihn vorher nicht. Er war ein großer Architekt, in seine Düsseldorfer Zeit fallen sämtliche von Jan Wellem beauftragen Bauwerke. Wenn schon kein Gebäude oder keine Straße nach ihm benannt ist, sollte es zumindest ein sehr gutes Restaurant sein.“ Hat Roos in seinem Roman nun gemacht: „Ein Italiener, wie man ihn sich wünscht.“ Er gibt zu: „Da die ganze Szenerie und der Schönheitssalon am Barbarossa-Platz verortet sind, kann es sich natürlich auch um die Saitta-Jungs handeln. Muss aber nicht.“

„Die Anderen sind alles mehr oder weniger Typen, die ich persönlich kenne und von denen ich Facetten ihrer Art und ihres Charakters eingebaut habe.“ Wie die des mittlerweile 84-jährigen Eicke Hoffmann. Einer der ersten, die Versace im Ausland gezeigt haben? Das kann doch nur Albert Eickhoff sein! Der Bezirkspolizist Alfons Märchenbach trägt Züge des Künstlers und Beuys-Schülers Anatol. Roos: „Der war ja in seinem ersten Leben auch Polizist. Als ich Grundschüler war, kam Anatol in Uniform in die Schule und hat uns per Kasperletheater die Verkehrsregeln beigebracht.“

Der „beste Gentleman-Store der Stadt“ von Roger Georges, in dem es nicht nur Maßgeschneidertes für Männer gibt, sondern diese lustigen Gluckerkannen, Wasserkaraffen in Fischform? Da hört man ihn ja beinahe selbst glucksen, Virgile Bourgueil, den Sohn des Sternekochs.

Roos’ Oberbürgermeister Dietrich Wolkenheim lässt den Ehrgeiz des sich für den Grand Départ abstrampelnden OB Geisel erkennen. Eveline Ginsterfing zu Mayer-Träsch bedient Klischees. Sie erinnert an „alle Damen über 80, die zum Beispiel im teuren Meerbusch leben oder überhaupt zur oberen Gesellschaft von Düsseldorf oder anderen Modestädten gehören“.

Eine Entdeckung war für Roos auch Jan Wellems Gemahlin Anna Maria von Medici: „Wir sollten ihr endlich ein Denkmal widmen.“ Wobei er es immer noch als Verlust empfindet, „dass die Pinakothek in München so viele Gemälde besitzt, die eigentlich zur Kunstsammlung von Jan Wellem gehörten“. Überspitzt und zugegeben politisch nicht korrekt müsse man sagen: „Gebt uns die Beutekunst zurück!“ Vielleicht steckt darin ja schon eine Idee für einen zweiten Roman? Der Autor des Erstlings: „Ich hätte auch schon eine.“

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