lit.cologne: Literatur im Zweiergespann

William Boyd und Martina Gedeck lesen zum Auftakt des Kölner Literaturfestivals.

Köln. War es der Ort, der zur Ordnung animierte? Vor dem Gymnasium Kreuzgasse in der Kölner Innenstadt standen 300 Meter lang Besucher brav paarweise hintereinander und begehrten Einlass. Das Objekt ihrer Begierde: William Boyd, der aus seinem Roman "Ruhelos" lesen sollte. Doch wer ist William Boyd?

Diese Frage zielt mitten ins Herz der lit.Cologne, die zum siebten Mal stattfindet und sich erneut als das bestbesuchte nationale Literaturfestival erweist. Der 1952 geborene William Boyd ist trotz seiner acht Romane einer der weniger bekannten Autoren der britischen Literatengeneration um Ian McEwan und Julian Barnes. Weil das so ist, wurde er in Köln mit Martina Gedeck, einer der besten und bekanntesten deutschen Schauspielerinnen zusammengespannt.

Es sind solche "Paketlösungen", die die Zuschauer in Scharen strömen lässt. Die Gymnasiums-Aula mit ihren 740 Sitzen war denn auch seit Wochen komplett ausverkauft. William Boyds Roman "Ruhelos" kommt im Gewand des klassischen Spionageromans daher. Die allein erziehende Ruth erfährt plötzlich von ihrer Mutter Eva, dass sie früher Spionin des britischen Secret Service war. Genauer: der Unterabteilung British Security Coordination, die im Zweiten Weltkrieg von New York aus das isolationistische Amerika mit gezielten Falschmeldungen zum Kriegseintritt zu bewegen versuchte. Ein Propagandafeldzug, der durch Pearl Harbour überflüssig wurde - dessen moderne Variante aber im Vorfeld des zweiten Irakkrieges zu neuen politstrategischen Ehren kam. Von Bernhard Robben mit angenehm trockenem Witz moderiert, ging es im Wechselschritt zwischen Lesung und Gespräch durch den Abend.

Boyd stellte sich dabei als lustvoller literarischer Rosstäuscher vor, der bereits in Romanen über einen fiktiven Maler und einen erfundenen Filmregisseurs virtuos mit Fiktion und Fakten jongliert hat. "Ruhelos" offenbar darüber hinaus eine erstaunliche Verwandtschaft: "Wie der Spion konstruiert auch der Schriftsteller komplexe schöne Lügen", sagte Boyd und verwies auf das unter Literaten wie Agenten übliche Spiel mit Identitäten und parallelen Welten. Martina Gedeck, die gerade in dem Spionagefilm "Der gute Hirte" auftrat, ergänzte dies um Rollenspiel und Isoliertheit als Parallele zwischen Spion und Starschauspieler.

So ging es über schottische Eliteschulen, Spionagepraktiken oder Robert de Niros Agentenfilm "Der gute Hirte" durch einen Abend, bei dem weniger gelesen, als einfach erzählt wurde. Auch dies gehört zur lit.Cologne: Anstatt monologischem Exerzitium soll die Lesung zum publikumswirksamen Dialog werden. Was im sinnenfreudigen Köln mit seinem Hang zum Verzällcher besonders gut ankommt.

Fakten Das Literaturfestival endet am 19. März. Bis dahin werden 135 Veranstaltungen stattfinden. 103 davon sind allerdings bereits ausverkauft.

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