Herr Mo möchte seine Ruhe

Ein halbes Jahr nach dem Nobelpreise wird es dem Geehrten zu viel. Mo Yan schreibt an einem neuen Buch — aber bitte ungestört.

Peking. Mo Yan wird der Trubel zu viel. Ein halbes Jahr nach der Zuerkennung des Literaturnobelpreises an den chinesischen Schriftsteller ist sein Heimatort Gaomi in der Provinz Shandong zum Pilgerort geworden. Allein am vergangenen Feiertagswochenende kamen mehr als tausend Touristen.

Einige von ihnen brechen sogar Steine aus dem Mauerwerk seines Hauses, um sie als kulturelle Souvenirs mitzunehmen. Den Ruhm und die Kontroverse um seine systemkonforme Haltung gegenüber dem kommunistischen Regime empfindet der 58-jährige Schriftsteller zunehmend als Belastung.

„Ich bin kein Superstar“, warb Mo Yan vergangene Woche in Peking bei einem Treffen mit seinem Schriftstellerkollegen John Maxwell Coetzee aus Südafrika, dem Nobelpreisträger von 2003, um Verständnis. „Ich hoffe nur, dass ich so schnell wie möglich an meinen Schreibtisch zurückkehren kann“, zitieren ihn Zeitungen.

Er bittet darum, nicht mehr eingeladen zu werden. Auch die Erwartungen, sich zu politischen und sozialen Problemen in China zu äußern, weist er zurück. „Schreiben ist Sprechen“, sagte Mo Yan. „Wenn Schreiben nicht die Realität verändern kann, wie kann es Sprechen dann?“

Aber eigentlich will er auch nicht verändern, sondern nur beobachten. „Ich bin gern allein, damit ich von der Seite aus zuschauen kann.“ Zwar hält Mo Yan den politischen Posten als Vizepräsident der offiziellen Schriftstellervereinigung inne, versucht aber, Politik und Literatur zu trennen — ein Widerspruch in sich, wie seine Kritiker meinen.

„Ich habe kein Interesse und nicht die Absicht, ein Politiker zu sein“, zitiert ihn die Zeitung „Xinjingbao“. „Ich will nur in Ruhe etwas schreiben und im Verborgenen Gutes für die Gesellschaft leisten.“

Überhaupt hofft er, dass der Wirbel mit der Verleihung des nächsten Nobelpreises im Oktober endlich abebbt. Interviewanfragen lässt Mo Yan über seine Tochter Guan Xiaoxiao abwimmeln. „Mein Vater versucht, sein nächstes Buch zu schreiben“, erzählt sie. „Er arbeitet jetzt in Peking.“ In dem Buch gehe es um Krieg. Details nennt sie nicht. Ihr Vater arbeite schon länger an dem Konzept. „Ich weiß nicht, wann es fertig ist.“ Das hänge von der Situation und Verfassung ihres Vaters ab.

Doch so leicht lassen ihn seine Kritiker nicht aus seiner Verantwortung als Schriftsteller und erster in China lebender Nobelpreisträger. Seine Auszeichnung wird unter kritischen Kollegen zwar als Ehre für Chinas Literatur empfunden, doch sehen sie kontraproduktive Auswirkungen. „Die Zensur und Unterdrückung von Schriftstellern dauert an. Wir sehen keine Zeichen für Veränderung“, sagt Patrick Poon, der Exekutivdirektor des Hongkonger Pen-Zentrums unabhängiger chinesischer Schriftsteller.

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